Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wir leben vorwärts, blicken aber mitunter ganz gerne rückwärts, auf das was sich unser bisheriges Leben nennt. Auf den ersten Blick sieht es wie eine Linie aus, die von unserer Geburt bis hin zum aktuellen Punkt führt, an dem wir uns befinden. Selbst wenn der Weg manchmal steinig war, der Pfad abseits vom üblichen, ab Ende ist es eine durchgehende Verbindung.

In der Rückschau entfallen die Abzweigungen, die wir hätten nehmen können. Immer dann, wenn wir uns zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden müssen, nimmt unser Leben einen leicht anderen Verlauf. Wir vertrauen dabei darauf, die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben — und wenn nicht, hadern wir mit unserem Schicksal, ohne den Entschluss ändern zu können oder zu wissen, welchen Verlauf unser Leben genommen hätte.

Wie Äste eines Baumes, ausgehende vom Stamm, stelle ich mir das Ganze vor. Sich zu überlegen, eine ganz bestimmte Entscheidung anders getroffen zu haben, ist sicher ein spannendes Gedankenexperiment. Die meisten von uns berücksichtigen allerdings nicht diese Verästelung. Jede Entscheidung, basiert auf einer bereits vorher getroffenen Entscheidung. Und manchmal ist es nicht mal eine bewusste Entscheidung, sondern ein Gefühl auf das wir hören oder ein Mensch, von dem wir uns leiten lassen.

Die wirklich zuletzt getroffene Entscheidung rückgängig zu machen, wenn wir es denn könnten, wäre die einzige Möglichkeit im überschaubaren Rahmen, was die Konsequenzen angeht. Setzt man irgendwo weiter unten an, lässt sich nicht mal erahnen, wie das eigene Leben heute aussehen würde. Leidlich einen ganz grob kann man sich verschaffen.

Die Entscheidung, in einer ganz bestimmten Stadt zu studieren (bei mir Bielefeld) hat ähnlich Auswirkungen auf das Leben wie zum Beispiel eine bestimmte Kaufentscheidung. Hätte ich mir nicht im vierten Semester einen Pentium 100 von einem Elektronikhändler geholt, der nie zuverlässig funktionierte, wäre ich nie bei Apple (die Empfehlung eines Freundes) gelandet. Ohne eigene Apple Hardware im Haus wäre meine Frau nicht damit in Berührung gekommen, was dann die Wahrscheinlichkeit, dass sie später in ihrem Studium nebenbei bei Gravis arbeite, gegen Null hätte sinken lassen. Ohne Mac würde ich heute wohl kaum in einer Internetagentur arbeiten.

Und das ist nur ein ganz kleine Ausschnitt, den man noch viel weiter zu Ende denken könnte. Der Mensch ist meiner Überzeugung nach auch das Ergebnis der im Laufe des Lebens getroffenen Entscheidungen. Ein sentimentales „hätte ich mal dies oder jenes anders gemacht im Leben“ ist daher eigentlich sinnlos, jedenfalls vom Standpunkt unseres heutigen Bewusstseins. Den auch dieses Bewusstsein ist durch die Entscheidungen geprägt. Hätten wir an früher Stelle eine andere Abzweigung genommen, wären wir entsprechend nicht der, der wie heute sind.

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