Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Arbeit und Urlaub — Definition eines Menschen

Die meisten von uns werden wahrscheinlich daran glauben, nicht durch ihre Arbeit definiert zu werden. Man kann auch ohne Arbeit glücklich sein, heisst es. Spätestens, wenn man selber arbeitslos wird oder erst gar keine Arbeit nach der Ausbildung findet, ändert sich die Einstellung. Je länger die Phase ohne Arbeit dauert, desto deutlich wird die Erkenntnis, welche Rolle Arbeit eigentlich in unserem Leben spielt. Sie dient nicht nur dem reinen Gelderwerb, sondern wirkt als Legitimation. Wer unfreiwillig keine Arbeit hat, ist automatisch stigmatisiert.

Ich selber wollte das nie glauben, bis ich vor meiner derzeitigen Tätigkeit längerer Zeit „freigestellt“ war. Es unglaublich, was mit einem passiert. Anfangs glaubt man noch, so was würde man locker wegstecken, gerade wenn man sich finanziell nicht unbedingt Sorgen machen muss. Tausende von Plänen existieren ihm Kopf, was man alles mit der vielen Zeit, die man frei gestalten kann, machen könnte. Letztendlich schrumpft es zusammen. Man träge, antriebslos. Am schlimmsten ist es aber, dass man sich irgendwann nicht mehr wirklich aus der Wohnung traut. „Wissen es die Nachbarn schon?“ „Sieht man es mir an, dass ich keine Arbeit habe?“ Selbst der Gang zum Briefkasten wird zu einer ungeheuren Belastung. Eine Spirale, ein unglaublicher Sog, der einen immer weiter nach unten zieht.

Irgendwann, mit Glück, hat man dann wieder Arbeit. Denkt, es geht aufwärts. Nach einiger Zeit stellt sich heraus, worüber der arbeitende Teil der Bevölkerung definiert. über seinen Urlaub. Landauf, landab die gleiche Frage, ob man denn im Urlaub wegfahre und vor allem wohin. Wer daheim bleibt, erntet abschätzige Blicke. Hinter dem Rücken wird dann getuschelt. Fährt man dagegen weg, wird nachgefragt, wohin es denn geht. In Deutschland ist Sylt noch ok, Eifel klingt schon verdächtig nach Spießertum. Am besten fährt man ins Ausland, etwas schickes und hippes.

Wer zu Hause bleibt, Ausflüge in die nähere Umgebung macht, aus welchen Gründen auch immer, ist immer in der Rechtfertigungsfalle. Schade, dass man so über Arbeit und Urlaub definiert wird.

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