Gestern Abend traf sich mein Ortsverein mit einem benachbarten Ortsverein zur gemeinsamen Analyse der Wahlergebnisse in Köln. Es war nicht nur eine große Runde, sondern auch eine ziemlich spannende Diskussion.
Ein unumstrittenes Sorgenthema ist die Anzahl der Nichtwähler. Während die Wahlbeteiligung in Köln bei insgesamt 49,66 Prozent lag, gibt es Stimmbezirke mit einer Wahlbeteiligung deutlich unter 20 Prozent. In einem Stimmbezirk in Ostheim (gehört zum rechtsrheinischen Stadtbezirk Kalk) lag sie sogar bei lediglich 13,69 Prozent. Auch wenn dort die SPD satte 40 Prozent holte, stellt sich doch die Frage, was da falsch läuft.
Selbstverständlich freut man sich über jeden eigenen Kandidaten im Rat, dem es gelungen ist ein Sitz zu erringen. Wenn man sich aber Ostheim im Vergleich zur Innenstadt ansieht, entsteht ein merkwürdiges Bild. So hat eine SPD-Kandidatin dort trotz 2.492 Wählerstimmen verloren, während es dem SPD-Kandidat in Ostheim mit 89 Stimmen gelang, in den Rat gewählt zu werden. Die Frage, wie viel Gewicht dieses Mandat hat, muss erlaubt sein.
Wenn man sich für gesamt Köln die Nicht-Wähler ansieht, stechen dort drei Merkmale hervor. Ein großer Anteil von Menschen mit höherem Bildungsabschluss, die in Single-Haushalten leben 20 bis 30 sind, haben nicht gewählt. Eine einfache Erklärung wäre die, dass es sich dabei um Personen handelt, die in Köln nicht verwurzelt sind. Entweder weil sie bereits auf dem Sprung in eine andere Stadt sind (zum Beispiel bedingt durch ihre Ausbildung oder einen beruflichen Wechsel) oder aber die noch nicht lange in Köln leben, sich daher also mit kommunalpolitischen Themen bisher wenig auseinander gesetzt haben.
Komplizierter, aber durchaus nachvollziehbar ist ein anderes Erklärungsmodell. Dazu stellt man sich selber die Frage, ob man früher von seinen Eltern, als man selber noch nicht wählen durfte, mal mitgenommen wurde ins Wahllokal (als Wahlhelfer vielen mir die wenigen Eltern, die das machten, sofort auf). Dieses Mitnehmen zur Wahl bewirkt ein Stück weit auch ein Hinführen zu demokratischen Entscheidungsprozessen. Wer erlebt hat, wie seine Eltern wählen, wird sich wahrscheinlicher auch selber dazu entschließen, wählen zu gehen. Wer das aber nicht von zu Hause kennt, wird sich mit höher Wahrscheinlichkeit schwerer dazu bewegen lassen, wählen zu gehen. Besonders dann, wenn in der Peer-Group auch andere nicht wählen gehen. Demokratie muss man selber erleben. Dabei lässt sich Demokratie nur schwer in der Schiel erlebbar machen, das Unterricht in der Schule keinen demokratischen Entscheidungsprozessen zu Grunde liegt. Der Lehrer sagt, wo es lang geht, da können die Schüler noch so viel abstimmen, wie sie wollen.
Das Verhalten der Eltern beeinflusst, so wie es aussieht, das spätere Verhalten in Bezug auf das Wahlverhalten — weniger welche Partei gewählt wird, sondern ob überhaupt gewählt wird. Hinzu kommen zwei weitere Faktoren. Junge Wählerinnen und Wähler wollen sich auch zumindest in einem Teil der Kandidaten widerspiegeln. Einem Anfang 20-jährigen ist es schwer zu vermitteln, warum er Kandidaten jenseits der 50 wählen soll, die mit seiner Lebenswirklichkeit nichts zu tun haben. Für jüngere Wähler müssen auch ganz bewusst andere thematische Schwerpunkte gesetzt werden, die sie ansprechen. Ein junger Single interessiert sich eher weniger für Familien- und Bildungspolitik.