Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Ein traditionelles Ritual hier im Blog, am Montag nach der Wahl einen Blick auf die Endergebnisse zu werfen. Neben Stimmanteilen der einzelnen Parteien ist die Wahlbeteiligung immer wieder ein Thema, welches mich beschäftigt. In Deutschland lag diese bezogen auf die Europawahl bei 48,1 Prozent. Die Kommunalwahl in Köln hatte 49,65 Prozent Beteiligung. Wenn die Wahlbeteiligung unter 50 Prozent liegt, stellt sich zwangsläufig immer die Frage nach der Legitimation der gewählten Vertreterinnen und Vertreter. Nach langem nachdenken bin ich für mich zum dem Schluss gekommen, dass die Vertreter der Parteien durchaus den Willen der Wählerinnen und Wähler repräsentieren. Auch eine Wahlbeteiligung erheblich unter 50 Prozent stellt die Demokratie an sich nicht in Frage.

Gesamtergebnis_sk-2014

Wahlergebnisse mit einer Wahlbeteiligung über 90 Prozent gibt es, so die Erfahrung, eigentlich nur in Diktaturen. Sofern in einer Demokratie kein Wahlberechtigter an der Wahl gehindert wurde, ist die Wahl legitim, selbst wenn nur 20 Prozent oder weniger an ihr teilgenommen haben. Jeder Wahlberechtigte hatte potentiell die Möglichkeit und Chance, sein Bürgerrecht wahrzunehmen. Meine Erfahrung von gestern als Wahlhelfer hat mir gezeigt, an welcher Stelle noch mal nachgedacht werden könnte. Wer in sein Wahllokal geht, sollte auch tatsächlich wirklich wählen dürfen. Ein paar engagierte Bürgerinnen und Bürgern hatte aus unterschiedlichen Gründen nicht die Möglichkeit, für alle Urnengänge ihr Stimme abzugeben. Es tut in gewisser Weise weh, wenn man jemanden nach Hause schicken muss, weil er zum Beispiel nicht an der Europawahl teilnehmen darf — anderen hingegen das sommerliche Wetter wichtiger war als politische Mitbestimmung.

Das Endergebnis in Köln bei der Rats- und Bezirkswahl, mit einer Wahlbeteiligung von 49,65 % beziehungsweise 49,65 %, kann man sehr unterschiedlich werten. Die SPD hätte stärker abschneiden können. Das es für Ulli Volland-Dörmann und Marco Malavasi nicht gereicht hat für ein Mandat, finde ich persönlich extrem schade. Welche Koalition demnächst federführend im Hinblick auf die Zukunft der Stadt Köln sein wird, ist erstmal auch offen. Denkbar sind mehre, jedes Mal allerdings mit der SPD als „Leitwolf“. Das die CDU noch mal die Wahl auszählen lassen möchte auf Grund ihres knappen Ergebnisses, empfinde ich ein Stück weit als Beleidigung der Wahlhelferinnen und Wahlhelfer, die in allen Stimmbezirken einen tollen Job gemacht haben.

Am rechten Rand des politischen Spektrums kann man sich über die Reduzierung von PRO Köln auf nur noch zwei Sitze freuen. Theoretisch zumindest, wenn da nicht die AfD wäre, die aus dem Stand heraus 3 Sitze erlangt hat. Auf der anderen Seite gefällt es mir, dass „Deine Freunde“ zwei Sitze im Rat erringen konnten. Ich denke, hier wurde auch die Arbeit aus den letzten Jahren zu Recht honoriert. In jedem Fall ist das Spektrum aus 10 Parteien im Rat der Stadt Köln etwas, was die nächsten sechs Jahre — so lange dauert diesmal die Legislaturperiode — spannend machen dürfte.

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Weniger spannend denn gruselig ist das Ergebnis der Europawahl. Fangen wir aber erstmal mit dem Positiven an. In Köln lag die Wahlbeteiligung bei 53,18 Prozent. Das ist höher als der gesamte deutsche Wert mit 48,1 Prozent, aber auch gleichzeitig höher als der Wert für die Kommunalwahl. Der Rückschluss wäre hier, dass in Köln das Interesse der Menschen mehr noch Europa gilt als ihrer eigenen Stadt. Wobei das zu kurz gegriffen wäre. Anscheinend gab es unterschiedliche Laufzeiten bei den Fristen für den derzeitigen Wohnsitz. Im Stimmbezirk 50111 hatten wir einige Wählerinnen und Wähler, die hier nur an der Europawahl teilnehmen durften, an  ihrem neuen Wohnsitz dagegen nur für die Kommunalwahl.

Gesamtergebnis_eu_2014

Das Gesamtergebnis für Köln zeigt einen deutlichen Vorsprung der SPD (31,06 %) vor der CDU (26,29 %) — bundesweit sieht das jedoch anders aus, da liegt die CDU mit 30,0 % vor der SPD mit 27,3 %. Immerhin, im Vergleich zu letzten Wahl konnte sich die SPD um rund 7 Prozent verbessern. Auch in Bezug auf die Europawahl erreicht die AfD ein mit 7% recht hohes Ergebnis.

Für die FDP sieht es sowohl in Bezug auf den Rat der Stadt Köln als auch bezogen auf die Europawahl übel aus. Gäbe es noch eine Fünf-Prozent-Hürde, die FDP wäre nicht mal mehr in der Opposition.

Gesamteuropäisch betrachtet haben europafeindliche und radikale Parteien erhebliche Erfolge errungen. So liegt die rechtspopulistische Front National bei 25 Prozent. In einer Zeit, wo es zu Europa keine Alternative gibt, wo die Zukunft nur aus einem geeinten Europa bestehen kann, ist das erschreckend. Ein Rückfall in Kleinstaaterei wäre international betrachtet die schlechteste aller Alternativen. Zwischen starken Ländern wie USA, Russland und China würden Ländern, die nur an ihrer eigenen Bedeutung interessiert sind, einfach zerrieben. Nur ein starkes, gelebtes Europa kann Paroli bieten. Diese Einsicht scheint im westlichen Teil der europäischen Union weniger vorhanden zu sein als im östlichen. Aufgabe von Politik wird es hier sein, deutlich mehr für Verständnis zu sorgen, Prozesse deutlicher zu machen und die immensen Vorteile der EU für alle Bürger hervorzuheben.

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