Wie mein Donnerstag mit Streik und Zugverspätungen war, hatte ich bereits detailliert geschildert. Trotzdem fehlt da noch ein kleines Stückchen, etwas, was mich ziemlich erschüttert. Mit dem Streik selber hat es wenig zu tun. Spulen wir noch mal einige Stunden zurück, Donnerstag morgen, kurz vor 10 Uhr. Auf meine Mitfahrgelegenheit wartenden, las ich im Buch von Raymond Chandler, „Die simple Kunst des Mordes“. Nur noch 30 Seiten bis Buchende, bevor ich ins Auto einstieg.
Die Umhängetasche verstaute ich im Fußraum. Beim anschnallen, so glaube ich zu wissen, legte ich das Buch auf den Schoß. Während einer Autofahrt lesen kann ich weder als Beifahrer noch als sonst was — mir wird einfach ziemlich schlecht. Also lag das Buch vermutlich auch weiter auf meinem Schoß, so genau weiß ich es nicht mehr.
Als wir dann zum Büro gingen, meine ich es noch in der rechten Hand gehabt zu haben, danach sind die Erinnerungen zu verschwommen. Auf dem Rückweg im Zug sitzend wollte ich bis Köln die restlichen Seiten lesen. Daraus wurde dann leider nichts, denn das Buch befand sich nicht in meiner Tasche, wo ich es im Normalfall gesteckt hätte. Eine SMS an den Kollegen, ob ich es im Auto hätte liegen lassen, wurde negativ beantwortet.
Freitag, vom Home Office aus, rief ich nach einer unruhigen Nacht als erstes im Büro an. Ein anderer Kollegen sucht noch mal an allen möglichen und unmöglichen Plätzen, während wir miteinander telefonierten. Das Buch tauchte nicht auf. Es hat auch am Donnerstag kein Kunde mitgenommen. Nur noch 30 Seiten, die ich an diesem Wochenende nicht zu ende lesen kann. „Die simple Kunst des Mordes“ ist nicht als eBook verfügbar, daher hatte ich mir es auch überhaupt als gedrucktes Werk gekauft. Es ist auch kein aktueller Spitzentitel, bei dem man jederzeit in eine Buchhandlung gehen und sich eine neue Ausgabe besorgen kann. Ich musste es neu bestellen, was gestern auch getan habe.
Bei einem Preis von 9,90 Euro schmerzt es eher weniger, das Buch noch mal zu kaufen. Was aber wirklich weh tut, ist der Verlust an sich. Zum allerersten Mal in meinem Leben habe ich ein Buch verloren. Und dann ausgerechnet auch noch in einem sehr überschaubaren, geschlossenen System. Fast schon wie ein klassischer Agatha Christie Krimi, bei denen es häufig um das so genannte „locked room mystery“ geht.
Aber mal im Ernst, vermutlich ist der Verlust des Buches ein Zeichen ziemlich Anspannung. Stress führt bei mir in Überdosis zu Schusseligkeit, mit eben solchen Ergebnissen. Ein Buch zu verlieren, beziehungsweise zu verlegen, ist schon eine Leistung. Immerhin, so mein Trost, habe ich weder einen eBook-Reader verlegt noch war es ein Buch, was sich nicht so einfach ersetzen lässt.
Nachtrag: Gerade eine E-Mail vom Buchladen-Nippes bekommen, meine Bestellung sei eingetroffen. Damit ist das Wochenende gerettet. Bei der Bestellung hatte ich gestern auch noch dazu geschrieben, es sei kein Systemfehler, dass ich das gleiche Buch innerhalb von zwei Wochen bestellt habe.