Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die simple Kunst des Mordens

Ob ich mir wirklich „Breaking News“, den neusten Roman von Frank Schätzing antun werde, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Es gibt einfach eine Menge guter Bücher auf meiner Leseliste. Das von Schätzing gehört wohl, wenn man zumindest einem Teil der Kritiker Glauben schenken darf, nicht. Darüber täuscht auch nicht Schätzings Selbstdarstellungsperformance im Rahmen der lit.cologne hinweg.

Einer derjenige, die mit „Breaking News“ wenig anfangen können, ist Hannes Stein mit seiner Rezension „Frank Schätzing braucht ein Komplott zu viel“ für Welt Online. Seine Besprechung mündet in einer rhetorischen Frage:

Darf ein Autor, gleich welcher Nationalität, anno 2014 John le Carré unterbieten? Und die Antwort lautet selbstverständlich: Nein.

Für mich, weniger als Leser denn als Autor, gab es allerdings ein paar Absätze vorher etwas, über das ich stolperte. Die Erwähnung von Raymon Chandler und seiner Feststellung „man solle gefälligst nur solche Leute einen Mord begehen lassen, die einen handfesten Grund dafür haben“.

Mich machte das neugierig. Der Name Raymon Chandler sagte mir erstmal gar nichts. Meine erste Vermutung war, dass er etwas mit dem Schreiben von Krimis zu tun hat oder hatte. Das wurde dann bei Wikipedia bestätigt. Bei weiterer Recherche stieß ich dann über das Buch „Die simple Kunst des Mordens“ von Chandler, eine Sammlung von Briefen und Essays. Darin dreht es auch um den Kriminalroman, das Handwerk des Schreibens und die Verlagswelt — zumindest vor dem Hintergrund der Zeit, in der Chandler seine Erfahrungen damit gemacht hat. Chandler, der 1959 starb, bezieht sich was Verlage und das Filmgeschäft angeht hauptsächlich auf die Zeit zwischen 1940 und 1954.

Zeitlos gültig sind aber seine Aussagen, die das Schreiben und den Krimi betreffen. Im Aufsatz „Beiläufige Anmerkungen zum Kriminalroman“ formuliert Chandler 10 Thesen mit Anforderungen an den Kriminalroman.

Der Kriminalroman muss…

  1. …glaubwürdig motiviert sein.
  2. …technisch, was die Methodik des Mordes und seiner Aufklärung betrifft, einwandfrei sein.
  3. …im Hinblick auf Gestalten, Schauplatz und Atmosphäre realistisch sein.
  4. …einen soliden erzählerischen Wert aufweisen.
  5. Die Vorgänge im Kriminalroman müssen sich zum entsprechenden Zeitpunkt leicht erklären lassen
  6. Das Geheimnis darf dem einigermaßen intelligenten Leser nicht durchsichtig sein.
  7. Die Lösung, einmal enthüllt, muss den Eindruck vermitteln, dass es so und nicht anders gewesen sein kann.
  8. Der Kriminalroman darf nicht alle auf einmal zu bringen versuchen.
  9. …den Verbrecher auf irgendeine Weise bestrafen, wenn auch nicht notwendigerweise durch den Spruch eines Gerichtes.
  10. …dem Leser gegenüber ehrlich sein.

Allein die Ausführungen von Chandler zu den 10 Punkten sind lesenswert. Darüber ist er als Autor und Person, als Mensch, interessant. Verheiratet war er mit einer 18 Jahre älteren Frau, hat ihren Tod 1954 nie richtig verwunden und folgte ihr fünf Jahre später. Chandler gehört auch zu der Sorte Autoren, die einen bunten Lebenslauf aufweisen können, der in schlechten Zeiten jede Art von Job annahm, nur um sich über Wasser zu halten.

Die Hälfte des Buches — diesmal klassisch als gedruckte Ausgabe — liegt hinter mir, es begleitet mich täglich, auch wenn ich immer nur ein paar Seiten gelesen bekommen, was aber nicht an Chandler liegt. Empfehlen kann ich es sowohl Krimi-Autoren, Krimi-Lesern als auch Menschen, die sich für die Arbeitsbedingungen von Drehbuchautoren in Hollywood in den 40er und 50er Jahren des letzten Jahrhunderts interessieren.

Und um abschließend noch mal auf den Anfang zurück zu kommen: Hannes Stein hat vermutlich wirklich recht was sein Urteil über Schätzing betrifft. Wer noch Zweifel daran hat, sollte sich man die Romane von John le Carré ansehen.

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