Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Radio kann man nicht nur hören, sondern auch sehen. Liest sich komisch, ist aber so. Genau in dem Fall nämlich, wo man als Gast im kleinen Sendesaal des WDR sitzt und dabei ist, wie eine Radiosendung gemacht wird. Nicht irgendeine Sendung, sondern der das „WDR 3 Forum“ mit dem Thema „Kulturbetrieb in der Welt der sozialen Netzwerke“.

wdr3-forum

Meiner Anwesenheit im Publikum vorweg basierte auf einer „persönlichen“ Einladung vom WDR 3, die ich im Januar per E-Mail erhielt. Etwas rätselte ich schon im Vorfeld darüber, aus welchem Grund mir diese zuging. Gehöre ich etwa zur Gruppe der „Kulturschaffende, Kulturjournalisten, Kulturinstitutionen, Blogger und Netzaktivisten“ von denen in dieser Einladung die Rede war — es wird wohl so sein. Nach welchem Verfahren die Gästeliste zusammengestellt wurde, ließ sich gestern leider nicht aufklären. Es hat mich aber in jedem Fall gefreut, viele bekannte Gesichter wieder zu sehen. Bereits vor der eigentlichen Veranstaltung stand man in lockerer Runde zusammen und kam schnell ins Gespräch, was nur bösen Gerüchten zu Folge an dem reichlich zur Verfügung gestellten Kölsch lag.

Aus der thematischen Einstimmung sind mir zwei besonders zwei Dinge in Erinnerung geblieben. Zum einen, dass der WDR 3 erst seit diesem Jahr bei Facebook und Twitter vertreten ist. In der Einladungsmail hatte ich es glatt überlesen und geglaubt habe ich es erst nach mehrmaligem hören. Ein solches Zuspätkommen ist schon fast sträflich. Trotz technischer Probleme beim Abspielen und einer sehr monotonen Computerstimme legte ein Youtube-Video den Finger in einer möglicherweise offene Wunde. Für Firmen, Verbände und Institutionen ist es eine ungewohnte Erfahrung, dass Social Media keine Einbahnstraße ist. Nicht nur das Radio hat ein Publikum, sondern jeder einzelne Akteur auf Twitter und Facebook. Den Gegebenheiten des Mediums entsprechend wird dort dialogische Kommunikation erwartet. Wer die Kanäle nur als weitere Möglichkeit der Verkündung nutzt, wird dort scheitern.

Pünktlich um 19:05 Uhr, denn man ist schließlich beim Radio, begann die Sendung und damit die Diskussion auf dem Podium mit dem Moderator Uwe Schulz, Wolfram Kähler (stellvertretender Programmbereichsleiter von WDR 3), Roland Nachtigäller (künstlerischer Direktor des Herforder Museums MARTa), Christoph Müller-Girod (strategischer Berater und Social Media Manager) und Dirk von Gehlen (Leiter Social Media/Innovation bei der SZ).

Dem Format und den Zuhörern vor echten Radios (und nicht etwa eines Streams) geschuldet, wurden die Themenfelder, nur angerissen, teilweise auch etwas zugespitzt. Kommunikation mit dem Saalpublikum fand nur marginal über die eingerichtete Twitterwall (immerhin) statt. Zudem durfte nach vorheriger Absprache an den entsprechenden Stellen geklatscht werden.

Vieles von dem, was in der knappen Stunde angeschnitten wurde, verleitet dazu, sich weitere Gedanken zu machen. Es liegt auch am Thema selber, welches weit über die Belange des WDR 3 hinaus geht. Die Angst vor Kontrollverlust ist etwas, was nicht nur bei den Radiomachern verbreitet sein dürfte. Wer sich auf das Social Media-Meer begibt, muss mit Sturm und Wind rechnen, der einem entgegen peitscht. Genauso aber auch mit einer Diskussion, die sich verselbstständigen kann. Eingriffe, gar Zensur sind dann Riffe, an denen man dann mit seiner Social Media Strategie schnell Schiffbruch erleiden kann.

Ist Kultur fest oder flüssig? Sollte man den Kulturschaffenden über die Schulter schauen könne? Das lässt sich meiner Meinung gar nicht pauschal beantwortet. Es gibt sicherlich Projekte, wo es spannenden ist, „Work in Progress“ zu begleiten. Auf der anderen Seite gibt es genügend Autoren, mich eingeschlossen, die lieber erst dann ihre zarten Pflänzchen ins Licht der Öffentlichkeit stellen wollen, wen sie gewachsen und robust sind. Feedback ist gut, aber zu viel Feedback zu früh kann auch die Kreativität im Keim ersticken.

Das Thema Urheberrecht wurde nur am Rande gestreift was schade ist, denn gerade für die Kultur ist das Urheberrecht relevant — für alle Akteure. Für den Museumsdirektor genauso wie für den Besucher und gerade auch für den Künstler, der ein Werk geschaffen hat. Der Besucher möchte vielleicht ein Foto vom Werk machen, eventuell das Bild für einen Blogbeitrag über den Museumsbesuch verwenden, ohne dafür eine Abmahnung zu riskieren. Der Künstler möchte für seine Arbeit entlohnt werden, im Idealfall davon sogar leben können. Und der Museumsdirektor möchte Kultur zugänglich machen.

Kulturflatrate ist immer wieder so ein Stichwort, was zu hören ist. In ganz unterschiedlichen Zusammenhängen. Bevor man so etwas überhaupt in Erwägung zeigt, sollte man meiner Meinung nach grundsätzlich darüber diskutieren, über die Kulturschaffenden davon leben können. Würde es auf ein bestimmtes Segment beschränkt sein oder aber alle Formen der Kultur mit einschließen? Auch der Betrag ist ein wichtiger Faktor. Nehmen wir vereinfacht mal für jede Bundesbürger (Alter unerheblich) einen Euro im Monat. Das wären etwa unter einer Milliarde Euro im Jahr für die Kulturflatrate, die auf alles verteilt werden müsste. Zum Vergleich spotify. Weltweit gibt es unter den 24 Millionen Nutzern 6 Millionen zahlenden Kunden, denen unendlich Musik 10 Euro im Monat wert ist. Das macht 720.000000 Millionen im Jahr. Für viele der Musiker, deren Titel bei spotify verfügbar sind, ergibt das nur Centbeträge von denen sie sicher nicht leben könne. Es ist durchaus realistisch, eine Kulturflatrate daher nur als eine Komponente in einer weitaus umfassenderen Kulturförderung zu begreifen.

Geht es darum durch die Nutzung von Social Media neue Zielgruppen zu erreichen? Eine schwierige Frage. Dahinter steckt die These, dass letztendlich jeder Kultur gegenüber aufgeschlossen ist und man nur die richtige Ansprache wählen muss, damit er Feuer fängt. Ich denke, die Affinität zu Kunst und Kultur lässt sich nicht durch die Nutzung von Twitter und Co herstellen. Es werden nicht plötzlich Heerscharen von Jugendlichen die Musen stürmen, nur weil diese auf Twitter und Facebook vertreten sind. Die eher pessimistische Einschätzung wäre daher, dass Social Media im Kulturbereich der Bestandssicherung dient. Man verhindert weitere Abwanderungen, denn letztendlich konkurrieren alle Angebote um die knappe Ressource Zeit. Gleichzeitig ist die Bedienung „neuer“ Kanäle ein zusätzlicher Service. Ein Angebot, das, wenn man so will, eigentlich auch erwartet wird.

Kultur lässt sich (in den meisten Fällen) nicht in 140 Zeichen vermitteln. Aber man kann darauf aufmerksam machen. Der Kanal ermöglicht auch einer virale Erhöhung der eigenen Reichweite, da durch das so genannte Retweeten eine Botschaft in zusätzliche Kreise weitergereicht wird. Und auf diese Weise führt das letztendlich doch wieder dazu, dass Menschen mit Kultur in Kontakt kommen. Ein gutes Beispiel dafür war die Veranstaltung gestern Abend selber. Durch die Auswahl des Publikums sicherte sich WDR3 indirekt auch den Zugriff auf deren Follower bei Twitter. Der Sendung lauschten dann Menschen, die normalerweise nicht zu den Hörern von WDR3 gehören.

Zum Abschluss des gelungenen Abends (vielen Dank noch mal an den WDR für die Einladung und vor allem an das Service-Team) traf ich noch auf einen Mitarbeiter vom WDR, der mich kannte. Er musste mir dann auch noch auf die Sprünge helfen, woher. Ein ehemaliger Auszubildender von akamedia — meinem ehemaligen Arbeitgeber in Dortmund. Köln, so zeigte sich wieder einmal, ist ein Dorf.

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