Nach dem ich mit den letzten Lokalkrimi endlich durchgelesen hatte, war ich mir eine Zeit lang unsicher, ob ich überhaupt darüber schreiben soll. Ein paar Andeutung habe es dazu bereits im Blog. Nach dem ich mir meine Notizen aus iBooks per E-Mail zugeschickt hatte, war mir jedoch klar, dass ich unmöglich die Sache einfach auf sich beruhen lassen kann.
Es hat mich beim lesen ungemein erstaunt, dass ich mit „Die Spinne“ das 10. Buch von Thomas Hesse in der Hand hielt. Geschrieben hat er dies zusammen mit Renate Wirth. Wer genau für welches Kapitel verantwortlich ist, erschließt sich dem Leser nicht — und es spielt auch eigentlich keine Rolle. Die vielen Fehler hätten beiden Autoren auffallen müssen, spätestens jedoch im Lektorat.
Besonders auffällig finde ich, was aber auch daran liegt, das ich beim schreiben mit Zeitlinien arbeitet und auf solche Sachen bewusst achte, wenn Unstimmigkeiten in der Zeit auftreten. Wenn Ereignisse zu lange dauern und zu kurz sind. Oder aber Elemente in der Handlung auftauchen, die es zu einem Bestimmten Zeitpunkt noch nicht gegeben hat.
[…] wie damals, als er mit seiner Schwester gemeinsam mit den neuen Inlinern den Fürstenberg in Xanten hinuntergerast war.
Aus: „Die Spinne“ von Thomas Hesse, Renate Wirth
Der Täter, der das hier schildert, ist zum Zeitpunkt der Handlung Anfang vierzig. Als er mit seiner Schwester Inliner gefahren ist, war er höchstens 16. Die Handlung spielt etwa 2012. Ich für meinen Teil, etwa gleich alt wie der Täter, kann mich nicht erinnern, mit 15 oder 16 Jahren irgendwo Inliner gesehen zu haben. Insbesondere nicht in Wesel und Umgebung.
Es ist nur eine Kleinigkeit, aber darüber stolpert der Leser. Vor allem ist es auch noch eine Kleinigkeit, die völlig unnötig ist in Bezug auf die Handlung. Die Figur hätte auch im Winter mit einem Schlitten gemeinsam mit der Schwester den Heuberg runterrutschen können.
Im Krimi kommt ein Opfer durch den Biss einer Brasilianischen Wanderspinnen zu Tode. Schon etwas exotisch, kann man aber durchaus machen. Aufgrund der Danksagung erfährt der Leser am Ende des Buches auch, dass die Autoren einen Experten um Rat gefragt haben. Mich wundert im dem Zusammenhang dann, warum im Krimi dann steht, die Spinne wäre „Nicht extrem giftig[…]“, während eine einfache Recherche im Internet zu tage fördert, dass eben diese Spinne „als die giftigste Gattung der Welt“ gilt. Sorgfalt heisst hier das Zauberwort.
Sorgfalt wäre auch angebracht, wenn man Bezeichnungen wie „Bienenmann Flip“ verwendet. Herr Hesse, Frau Wirth, ich habe als Kind Biene Maja gesehen. Flip ist eindeutig ein Grashüpfer und keine Biene.
Die Anzahl der verwendeten Klischees im „Die Spinne“ zu zählen, wäre äußerst ermüdend. Ebenso wie die Unstimmigkeiten hinsichtlich der Polizeiarbeit. Kann aber mal passieren, gerade wenn man erst sein 10. Buch schreibt. Ehrlich gesagt nervt mich so was. Genau so wie Nebenfiguren, die sich nicht entscheiden können, wie sie sich verhalten. Da gibt es zum Beispiel die Mutter der Hauptkommissarin, die ihre Nachbarin verdächtigt, die Leiche ihres Ehemanns im Keller zu verstecken und ein paar Kapitel weiter völlig entrüstet bei ihrer Tochter anruft, weil sie davon überzeugt ist, die Nachbarin hätte sich doch nie was zu Schulde kommen lassen und wäre doch grundsätzlich unverdächtig. Was denn nun? Das ich privat ermittelnde Nebenfiguren die auf Miss Marple macht völlig peinlich finde, verschweige ich an dieser Stelle.
Wo wir gerade bei den peinlichen Dingen sind. Infodumps wie dieser
Diese Stadt lag nach dem Zweiten Weltkrieg fast komplett in Schutt und Asche. Hier musste schnell gebaut werden, damit die Menschen […]
Aus: „Die Spinne“ von Thomas Hesse, Renate Wirth
Gehören für mich auch dazu. Dieser Umstand muss für keinen Leser aus Wesel erwähnt werden. Genau so wenig wie die unselige Trapzeile.
Wenn man einen Text besonders gründlich ruinieren will, schütten man noch ein große Glas abgegriffen Floskel über ihn:
- „das hieß Warten auf Godot“
- dass aus dem Paulus noch ein Sauls wird
- „Und wir müssen tief in den Westen …« »Was?« »… wo die Sonne verstaubt. Bochum, ich komm aus dir“
Langsam aber sicher frage ich mich ernsthaft, wie tief man als Leser noch in den Genre-Keller hinabsteigen kann. Immer wenn ich denke, jetzt wirklich den schlechtesten Krimi gefunden zuhaben, geht es noch ein Stück weiter runter.
Abschließend noch eine Bemerkung zu Einordnung des Krimis als „Lokalkrimi“. Das Lokal ist so nebensächlich und dünn, dass es schon auffällig ist. Gerade mir, der 20 Jahre in Wesel gelebt hat, stößt das auf und zwar deshalb, weil sich der lokale Zuckerguss in „Die Spinne“ mühelos durch einfach Internetrecherche hätte anrühren können. Genau das spürt man beim lesen. Es bleibt kein Flair hängen. Daher weiß ich nicht, was „Die Spinne“ zu einem Niederrhein-Krimi machen soll. Die bloße Erwähnung von Handlungsorten jedenfalls rechtfertigt das nicht.