Soweit ich mich zurück erinnern kann, war mein Großvater immer schon ADAC-Mitglied. Damit gehörte er auch zu denjenigen, die monatlich die Zeitschrift „Motorwelt“ bekamen. Die lag dann in der Regel unter dem Stapel mit der Tageszeitung und der PRISMA für die aktuelle Woche. Einmal hab ich darin rumgeblättert, aber für mich, der mit Autos wenig am Hut hat, war sie kaum interessant. Ob mein Großvater sie wirklich gelesen hat, weiss ich nicht. Und genau das ist wohl das Kern-Problem beim aktuellen ADAC-Skandal.
Die Zeitschrift hat zwar, laut Eigenwerbung, eine Auflage von 19 Millionen Stück und dürfte damit die Zeitschrift mit der höchsten Reichweite in Deutschland sein. Nimmt man an, denn es ist zwar so, dass jedes Mitglied die Zeitschrift erhält, aber man weiss eben nicht, wer sie auch wirklich liest. Einer der möglichen Indikatoren ist die Beteiligung von Lesern in Rahmen von Aktionen, zum Beispiel wenn es darum geht, das Lieblingsauto zu bestimmen.
Bei der letzten Leserwahl zum Lieblingsauto 2013 wurde der VW Golf mit 34.299 Stimmen gewählt, hieß es zunächst. Eine Recherche der Süddeutschen Zeitung ergab dann, dass diese Zahl so nicht richtig war, denn tatsächlich waren lediglich 3409 Stimmen abgegeben worden. Das wäre eine Beteiligung von 0,017 Prozent. Das ist ziemlich wenig und damit verbirgt sich das eigentliche Problem des ADAC dahinter. Die Reichweite einer Zeitschrift ist ein wichtiger Faktor für die Ermittlung der Anzeigenpreise. Längst ist ADAC von einem einfachen Autoclub zu einem Konzern geworden. Wie der Kölner Stadt-Anzeiger heute schrieb, erwirtschafteten alle Organisationen des ADAC 2012 einen Überschuss von 160 Millionen Euro — bei Rücklagen von rund 3 Milliarden Euro.
Der Betrug lässt sich in keiner Form rechtfertigen, ein Stück weit nachvollziehbar ist er allerdings schon. Da kämpft jemand (es ist wirklich mehr als fraglich, ob der Vorfall nur einen einzigen Verantwortlichen hat) darum, Anzeigen weiterhin zum bisher üblichen Preis zu verkaufen. Gleichzeitig soll suggeriert werden, die Mitglieder wären auch wirklich Mitglieder, die sich beteiligen — und keine Kunden. Das ist dann der springende Punkt für mich. Wenn ich mir die Webseite vom ADAC ansehe, die breite Palette der Leistungen und Produkte anschaue, drängt sich mir genau der Eindruck auf. Die Mitglieder sind eigentlich Kunden, die eine gewisse Serviceleistungen und einen Versicherungsschutz in Anspruch nehmen. Man müsste mal durchspielen was passieren würde, wenn der ADAC gar kein Verein mehr wäre.
Die interessanteste Aspekt dürften dann wohl in den Bereichen Glaubwürdigkeit und Durchsetzungskraft liegen. Ein Konzern, der sich gegen, sagen wir mal, die Autobahnmaut, ausspricht, wird in der Öffentlichkeit und von Politikern anders wahrgenommen als ein Verein.
Wer letztendlich alles die Verantwortung für die Manipulationen beim ADAC übernehmen wird, dürfte noch spannenden werden. Zumal der ADAC-Geschäftsführer Karl Obermain in der vergangenen zunächst alles abgestritten und sich über die SZ-Berichterstattung lustig gemacht hat, bevor ihm ein Tag später Michael Ramstetter (Leiter der ADAC-Kommunikationsabteilung) die Wahrheit beichtete. Geschickter wäre es von Obermain gewesen, er hätte sich nicht so weit aus dem Fenster gelehnt. Wie heisst es so schön, Hochmut kommt vor dem Fall. Und gemessen an seiner Größe hat der ADAC eine ziemliche Fallhöhe.