Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Unwillkürlich denke ich bei „Leichen im Keller“ derzeit, trotz NaNoWriMo, nicht ans schreiben, sondern an die Koalitionsverhandlungen. Das aber dürfte eher mein persönliches Problem sein. Beschäftigen wir uns daher mit den eigenen Leichen im Keller. Nicht nur als Autor von Krimis hat man solche.

Leichen im Keller, das ist auch eine Metapher für die Abgründe der eigenen Seele. Für dunklen Flecken der Vergangenheit. Geheimnisse, die wir vor anderen aber auch vor uns selbst verschlossen haben. Ab in den Keller damit und dann bloß nicht mehr daran denken. Es sei denn — es sei denn man möchte Autor werden.

Selbstverständlich kann man auch ohne diese Leichen im Keller Texte schreiben. Aber selbst eine erzählte humorvolle Sommerromanze mit einer stotternden Hauptfigur, die ihre große Liebe findet und plötzlich die komplexesten Sätze fehlerfrei über die Lippen bringt kann etwas sein, was auf dem basiert, was sich bei einem im besagten Keller befindet. Möglicherweise die eigene Angst, in einem wichtigen Moment zu stottern. Oder Erlebnisse aus der Kindheit. Was auch immer es ist, für die Geschichte wird es das Salz in der Suppe sein. Der Text wird intensiver, glaubwürdiger.

Beim schreiben von Krimis ist das so eine Sache mit den Leichen im Keller. Die hier geht man mitunter wirklich an die Gläser mit dem Eingemachten. Entdeckt möglicherweise Seiten von sich, von denen man besser nichts gewusst haben wollte. Dennoch ist ein wichtiger Prozess, wenn man hinab in die Tiefe steigt. Spannung entsteht nicht, wenn man an der Tür aus dem Kinderzimmer seiner Vorstellungsbereitschaft stehen bleibt. Man muss bereit sein, die Schwelle zu überschreiten. Der Gang in den Keller bleibt einem nicht erspart, es sei denn man beabsichtigt, die potentiellen Leser zu langweilen.

Der Satz „Er stieß ihr das Messer in die Brust.“ ist einfach hingeschrieben. Genauso ist er aber bedeutungslos, wenn das Umfeld nicht stimmt. Wenn die Motive und Gefühle des Mörders nicht gezeigt werden, wenn man als Leser nicht mit dem Opfer leidet. Wenn die Sätze wie eine scharfe Klinge schneiden und man unwillkürlich zusammen zuckt, hat der Autor vermutlich etwas richtig gemacht. Dabei muss man nicht jedes eklige Detail beschreiben (ok, manche Autoren tun genau das), sondern es reicht, so geschickt mit der Phantasie des Lesers zu spielen, dass sie von ganz alleine die Lücken füllt.

Damit das funktioniert, muss man sich selber Szene für Szene vorstellen. Muss sich in die Figur des Mörders hinein versetzen, den Griff des Messers umklammern und dann mit all dem angesammelten Hass zustoßen — imaginiert natürlich. Eine Figur, die ich als Autor nicht verstehe, werden die Leser erst recht nicht verstehen. Der Vorrat an Leichen im Keller hilft daher, seine eigenen Figuren glaubhaft und überzeugend zu gestalten.

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