Immer wieder gibt es in meinem Leben Umbruchphasen, wo Sachen aus der Vergangenheit auftauchen, mit denen ich mich früher bereits auseinander gesetzt habe. So ging es mir beim Thema Brot backen genauso wie in Bezug auf vegetarische Ernährung (keine Angst, ich esse noch Fleisch). Das Go spielen gehört ebenfalls dazu. Etwa Mitte der Woche hing der Gedanke an das asiatische Brettspiel Go unvermittelt in meinem Kopf. Vor über 20 Jahren habe ich es häufiger gespielt, besitze nicht nur ein Go Brett und Steine, sondern auch edle Dosen aus Kastanienholz. Lange Zeit war ich sogar Mitglied im Deutschen Go Bund.
Vor ein paar Jahren gab es dann eine kleine Renaissance. Eine Version des Spiels wurde von mir auf dem Computer installiert, ich spielte ab und an ein paar Partien. Dann wieder verschwand jeder Gedanke an das Spiel in den Tiefen meines Bewusstseins. Auch beim letzten Umzug änderte sich das nicht, obwohl mir in diesem Zusammenhang wieder die fünf Bücher in die Hände fielen, die ich zum Thema Go besitze. Allerdings musste ich schon geahnt haben, dass mich das Thema rund eineinhalb Jahre später einholen würde, denn ich fand die Bücher gestern griffbereit in einem zugänglichen Regalplatz. Nicht alle meine Bücher haben dieses Glück.
Beim nachdenken über Go wurde mir die Analogie zum schreiben bewusst. Zumindest zu der Art des Schreibens, wie ich sie praktiziere. Vor dem eigentlichen Schreiben ein Stufendiagramm entwickeln entspricht der Spielweise beim Go. Zunächst steckt man grob das Gebiet ab, bevor es im weiteren Verlauf darum geht, dieses zu festigen (und zu verteidigen). Vielleicht ist es daher auch kein Zufall, wenn ich gerade währende des NaNoWriMo im November wieder den Zugang zum Go Spiel finde.
Um wieder in die Spielweise zu finden, hilft ein elektronischer Spielpartner. Für Mac OS X gibt es nur noch Goban. Die aktuelle Version ist allerdings im Gegensatz zu GNU Go kostenpflichtig. Zumindest auf einem 9×9 Brett hatte ich darüber hinaus den Eindruck, dass das Programm nicht besonders spielstark ist.
Unter iOS sieht es ähnlich mager aus — dachte ich zunächst. Dort gibt es mit SmartGo Kifu eine hervorragende App, die neben der Möglichkeit, gegen eine KI zu spielen auch reichhaltiges Material bietet, um seine Spielstärke zu verbessern. Vom gleichen Entwickler stammt auch smartgo Books, eine kostenlose Applikation, mit der man interaktive Go Bücher kaufen kann, was bei den Übungen in den Büchern wirklich gelungen ist. Zu jedem Titel gibt es ein kostenloses Probekapitel.
Beim lesen der Einführung zum Go Spiel in SmartGo Kifu stieß ich heute auf einen mir bis dahin unbekannten Begriff. Go wir unter anderen auch baduk genannt. Nimmt man das als Suchbegriff im App-Store, erhält man eine riesige Fülle von Programmen. Wie so oft kommt es also auch hier wieder darauf an zu wissen, wonach man sucht (man erinnert sich gerne an 42…). Allein durch die ganzen Programme zu stöbern, macht bereits Spaß. Ich liebe es einfach, Auswahl zu haben.
Durch SmartGo Kifu zeigt sich bei mir, an welchen Stellen es in meiner Spielweise noch erhebliches Verbesserungspotential gibt. Grob das Gebiet abstecken, sofern nicht bereist durch Vorgaben geschehen, gelingt mir. Bei der Verteidigung meiner Besitzansprüche lasse ich mich jedoch regelmäßig von der KI in die Enge drängen. Beim schreiben passiert das in einigen Kapitel auf ähnliche Weise. Anfang und Ende der Handlung sind abgesteckt, der Verlauf der Szene entwickelt sich bei mir trotzdem erst beim schreiben. Manchmal bekomme ich keine gerade Linie hin, sondern nur etwas, was sich umständlich gebogen auf den Endpunkt bewegt. Sehr schön sehe ich das bei Dialogen zwischen zwei Figuren, wo ich auch mal einem spontanen Impuls nach gebe. Das gefährdet bei mir weder die Handlung noch schieße ich am Ziel vorbei, aber ich verliere dadurch im „Mittelspiel“ viel Gebiet, was ich an anderer Stelle wieder gut machen muss.
Leben und Tod ist auch etwas, was bei Go eine besondere Bedeutung hat. Bei mir passt es hervorragend zu den Krimis, die ich schreibe.