Die neunte Kölner Musiknacht stand dieses Jahr bei meiner Frau und mir unter keinem guten Stern. Durch die Anstrengungen der letzten Tage hatte sich eine Müdigkeit aufgebaut, die sich bereits durch den gesamten Samstag zog. Ein kurzer Mittagsschlaf führte zum Ergebnis, sich noch geräderterer zu fühlen als zuvor. Die Karten jedoch hatten wir vor Wochen gekauft. Pro Person 18 Euro, so was lässt man nicht einfach verfallen. Und häufig war es in der Vergangenheit so, dass Veranstaltungen, zu denen man keine Lust hatte, als großartig herausstellten.
Unser Startpunkt sollte diesmal zentral sein, geplant war, möglichst viel an einem Ort zu machen statt wie in den letzten Jahren quer durch die Stadt zu fahren. Beim Kauf der Karten hatte wir uns für Foreseti featuring Agapi Tirantafyllidi „Himmlisch schön und höllisch frech“ als erste Veranstaltung im WDR-Funkhaus festgelegt. Bereits vor Beginn sorgte das Personal im WDR für erheblichen Unmut. Nicht etwa bei der Kartenkontrolle (zwei Personen am Eingang), sondern beim zweiten Einlass in den Vorraum des kleinen Sendesaals (hier auch wieder zwei Mitarbeiter). Es wurde darauf bestanden, dass meine Frau ihre Tasche an der Garderobe abzugeben hat. Aus Sicherheitsgründen dürfe nichts größer als DIN-A4 mit in den Saal genommen werden.
Das besondere an der Kölner Musiknacht sind die Aufführungen an zahlreichen Orten in der Stadt. Jede Aufführung dauert 45 Minuten, so dass man 15 Minuten hat, um zum nächsten Ort zu gelangen. Wenn man wegen seiner Tasche oder Jacke noch an einer Garderobe anstehen muss, konterkariert das die Grundidee. Abgesehen davon ist die Tasche meiner Frau kleiner als DIN-A4. Wir wollten jedoch nicht lange diskutieren und leisteten der Anweisung Folge. Wenig später, hatten wir die dritte Kontrolle (wieder mit zwei Mitarbeitern) an der Saaltür passiert. Es dauert nicht lange, dann platzte meiner Frau der Kragen. Hinter uns kamen mehrere Frauen mit ihren Taschen rein, die erheblich größer als DIN-A4 waren. Ein Mann hatte sogar seinen Rucksack auf. Mal ganz erblich, lieber WDR, so was nennt man Willkür. Entweder gilt die Regel für alle, oder man lässt so was ganz sein. Mein Frau jedenfalls stand wieder auf, ging zurück und holte ihre Tasche. Mit dem Sicherheitspersonal diskutierte sie diesmal ebenfalls nicht. Sie bestand schlicht darauf, die Tasche mit rein zu nehmen.
Pünktlich um 18 Uhr ging es dann los. Kurze Vorstellung der Musiker durch sich selber, keine Begrüßung durch den Veranstalter. Danach, die ersten Minute, dachte ich noch, sie würden ihre Instrumente einstimmen. Jedoch, es war schon Teil des Stücks. Reinblasen, ohne das ein Ton erzeugt wird. Die Hälfte des Auftritts bestand aus einer für meine Ohren disharmonischen Abfolge von Tönen. Laie, der ich bin, würde ich das nicht als Musik bezeichnen. Immer wieder schauten wir auf die Uhr. Irgendwann brandender Applaus, Erlösung. Das konnte ja nur besser werden, dachten wir uns. Wie geplant bleiben wir auf unseren Plätzen sitzen.
Es kam das Duo Différance. Kein Vorstellung. Es ging einfach los. Auffällig an den beiden Herren waren die blutjungen Damen an ihrer Seite, deren einzige Aufgabe daran bestand, rechtzeitig die Notenblätter umzublättern. Auch hier stellt sich kein Gefühl für Musik ein. Wir hätten das Motto der Musiknacht ernster nehmen sollen „Eine Stadt; Paradies und Hölle“. Ein längerer Blick in das Programm hätte auch schlimmeres verhindern können. Wieder 45 Minuten leiden. So hatten wir uns den Abend wirklich nicht vorgestellt. Danach Ortswechsel. Ins Dormforum. Der Fehler an dieser Stelle war, zu vergessen, dass dort die 20 Uhr Aufführung die erste des Abends war. Entsprechend voll präsentierte sich das Domforum. Wer bereits vorher woanders lauschte, durfte sich über einen gemütliche Stehplatz freuen. Ärgerlich die vielen Sitze, bei denen eine Jacke als Badehandtuch diente. Auf diese Weise reservierten ein paar Herrschaften eine halbe Reihe für später kommende Bekannte.
Im Domforum gab es erstmal eine anständige Begrüßung des Publikums. NoTango & Strings sorgten dann mit „Abrosia Nueva“ für das Highlight des Abends. Wie sich später herausstellte, sogar das einzige. Besonders stark Christina Fuchs. Meinetwegen hätten sie noch länger spielen können. Allerdings wurde das Stehen doch etwas anstrebend. Die nachfolgende Aufführung drohte mit schrillen Tönen im Programm, jedenfalls lasen wir das draus. Fluchtartig wechselten wir zum himmlischen Beistand in den Dom. Auch in der nicht abwegigen Annahmen, dort seien zumindest genügend Sitzplätze vorhanden.
Die Glocken schlugen neun Uhr abends an. Wir saßen in der zweiten Reihe, bequem auf Stühlen. Der Figuralchor Köln mit „Steti Angelus“. Würde ich mir außerhalb der Musiknacht wahrscheinlich eher nicht anhören, aber es ging in Ordnung. Abwechslung und zum Teil berührende Stücke. Wenn man als Protestant schon einmal im Dom ist, schlug meine Frau vor, dann bleiben wir doch gleich auch für die nächste Veranstaltung. Der Mädchenchor am Kölner Dom mit „In excelsis“. Behalten haben wir davon Gloria, Domino, Hosanna – sehr viel Hosanna. Für mich klangen alle Stück ziemlich ähnlich. Das Überziehen der Zeit um über 10 Minuten ging auch nicht in Ordnung. Knapp erreichten wir noch unsere S-Bahn nach Hause, froh, das die Nacht mit Musik für uns zu Ende war. Fünf Veranstaltungen diesmal, ein Treffer. Miese Quote nennt man so was.
Die neunte Kölner Musiknacht stellte den bisherigen Tiefpunkt unserer Teilnahme an dieser Veranstaltung da. Anders ausgedrückt, es hat uns ganz und gar nicht gefallen. Im nächsten Jahr werden wir das Programm genauer lesen und vor dem Kartenkauf entscheiden, ob wir uns das wirklich antun wollen. Buffet, auch ein musikalische, hat immer ein gewisses Risiko. Alles mag man selten. Das einem aber fast gar nichts schmeckt, ist äußerst ungewöhnlich.
4 Kommentare
Da hättet Ihr doch besser ein anderes Buffet vorziehen sollen ;-)
Stimmt. Das wäre wohl besser gewesen. Und netter.
Lieber Thomas,
ich würde nicht das ganze Konzept der Musiknacht in Frage stellen, nur weil du dich in der Auswahl der Konzerte vergriffen hast. Wer „schwierige“ Musik nicht mag – es klingt so, als wäre die im WDR zu hören gewesen – hätte Möglichkeiten gehabt, Vertreter anderer Genres zu finden und dabei manch positive Überraschung erleben können. Das Duo Singla/Rastani im Klavierhaus Schoke war zum Beispiel eine.
Wo ich dir uneingeschränkt zustimme, das ist deine Kritik an der fehlenden oder mangelhaften Anmoderation der meisten Konzerte. Kultur ist eben nicht nur, Räume für Musik zur Verfügung zu stellen, sondern sich auch für die Künstler zu interessieren, diese angemessen zu betreuen und dem Publikum mit einigen aussagekräftigen Sätzen vorzustellen.
Ob es den WDR-Profis reichte, ihre Hörer am Radio gut zu informieren, das Publikum im Saal aber sich selbst zu überlassen, kann ich nicht beurteilen, weil ich nicht im Funkhaus war.
Wie man mit einer Anmoderation aber deutlich zeigen kann, dass einen die auftretenden Künstler nicht interessieren, war bei der ersten Musikgruppe des Abends im Loft zu erleben. Da schwadronierte der Hausherr lange und ausführlich über den Veranstaltungsort, die gewonnenen Musikpreise seiner Produktionen und seine eigenen langjährigen Verdienste um die Musiknacht. Für die folgende Band aus einem ihm offenbar fremden Musikgenre blieb dann noch ein einziger Satz.
Mein Vorschlag zur Verbesserung der Musiknacht: Eine Art „Gastgeber-Briefing“ in Sachen Kommunikationskultur. Da hätten die Organisatoren noch eine wirklich wichtige Baustelle zu bearbeiten.
Bernd
Hallo Bernd,
die Musiknacht an sich gefällt mir eigentlich trotz des diesjährigen persönlichen Reinfalls. Es kommt vermutlich wirklich ganz darauf an, wo man welche Veranstaltung besucht.
Ein Gastgeberbriefing ist eine interessante Idee. Genau so wie der deutliche Hinweis für alle auftretenden Gruppen, sich doch bitte an die Zeitvorgaben zu halten. Fair geht vor, für nachfolgende Gruppen und andere Veranstaltungsorte. Ausnahmen kann man dann machen, wenn es die letzte Veranstaltung ist.
Was „schwierige“ Musik angeht, nun ja. Eigentlich mag ich Klassik und vor allem Jazz, in fast allen Geschmacksrichtungen.