Erstaunen. Das war gerade meine erste Reaktion, als ich mit der Recherche über den Bürgerkrieg in Syrien die Antwort auf meine Frage, seit wann der Bürgerkrieg dort tobt, bekam. Seit Anfang März 2011. Das sind damit über zwei Jahre.
So präsent war das Land bisher nicht in meiner Wahrnehmung. Oder aber, was auch nicht unwahrscheinlich ist, die Berichterstattung über Syrien schwellte lange auf niedriger Flamme. Man nimmt nur das war, worüber in den Medien zu lesen und sehen ist. Wie dem auch sei, über zwei Jahre Krieg in Syrien. Anfang der Woche konnte man in der Zeitung lesen, der US-Amerikanische Präsident hätte sich dahingehend geäußert, dass der mutmaßliche Giftgas-Einsatz des Assad-Regims dem überschreiten einer roten Linie gleich käme. Es mehrte sich die Kriegsrethorik, Säbelrasseln konnte selbst der hören, der eigentlich sonst lieber wegsieht.
Bis zu Beginn des Sommers sollen es bereits 100.000 Menschen sei, die durch den Bürgerkrieg ihr Leben verloren haben. Merkwürdig, dass Obama erst jetzt eine rote Linie überschritten sieht. Dürfte es den Toten nicht egal sein, wie sie gestorben sind? Sie dürfen den Mann mit einem Knüppel erschlagen, aber ersticken mit einer Tüte sehen wir nicht gerne. Man könnte hier von Zynismus sprechen. Oder aber nach den wahren Gründen suchen, warum jetzt in Syrien militärisch interveniert werden soll.
Einige militärischen Abenteuer Koalitionen sogenannter „Willigen“ liegen bereits hinter uns, mit fragwürdigen Resultaten. Weder im Irak noch Afghanistan kann von gesicherten stabilen Verhältnissen sprechen. Zurückhaltung ist im Hinblick auf Syrien möglicherweise keine verkehrte Option. Allerdings auch keine, die den Menschen vor Ort hilft. Andererseits dürfte ein Militärschlag ihre Lebenssituation auch nicht unbedingt verbessern.
Der Eindruck, den man gestern beim lesen der Zeitung hatte, wurde bereits heute relativiert. Während es am Mittwoch noch nach einer unmittelbar bevorstehenden militärischen Intervention durch die USA plus Anhang aussah, stand heute morgen im Kölner Stadt-Anzeiger: „Ein Militärschlag gegen die Führung in Damaskus steht offenbar nicht unmittelbar bevor.“
Für die USA, Großbritannien und Frankreich stand das Ergebnis der UN-Waffeninspektoren in Syrien, die den vermutlichen Einsatz von Giftgas untersuchen, schon fest. Sie hielten ihn für erwiesen. Ein möglicherweise willkommener Vorwand, gegen Präsident Baschar al-Assad loszuschlagen. Das es angeblich nicht darum gehen sollt, die Regierung zu stürzen, sondern nur militärische Anlagen mittels Marschflugkörpern ausser Gefecht zu setzen. Glauben würde ich so was nicht.
Auf Seite 2 im KSTA stand dann in der Subline zum gleichen Thema, die „US-Regierung will das Assad-Regime nur bestrafen„. Ehrlich gesagt hört sich ziemlich lächerlich an. Als ob die USA so etwas wie Erziehungsberechtigte von Syrien wären. Lachen kann man allerdings angesichts der Toten nicht.
Verwunderlich ist der Kursschwenk der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Anlehnung, dann zögerlich, schließlich heisst es, eine Reaktion auf die Lage in Syrien sei unabdingbar. Erinnern wir uns noch mal kurz daran, dass in Syrien seit zweieinhalb Jahren Bürgerkrieg herrscht.
Seit ein paar Stunden gibt es zum Giftgas-Anschlag in Syrien neue Informationen. Die Uno-Sonderermittlerin, Carla del Ponte, spricht davon, dass die Rebellen nicht nur selber über Chemiewaffen verfügen, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Anschlag verantwortlich sind. Rebellen also, die Sarin eingesetzt haben in der Überzeugung, die USA und andere würden das dem Assad-Regiem anlasten. In der Hoffnung, so die internationale Staatengemeinschaft zur Intervention zu bringen.
Wenn es überhaupt eine rote Linie gibt, die überschritten worden ist, dann ist es diese. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Menschenleben opfern, egal für welche Sache, ist verachtenswert. Egal wie legitim die Anliegen der Aufständischen in Syrien auch sein mögen, Verständnis für ihr Vorgehen habe ich auf keinen Fall. Und sollte es sich in den nächsten Tagen herausstellen, dass doch Assad hinter dem Einsatz von Giftgas. Es bringt weder die Opfer zurück ins Leben noch würde es aus meiner Sicht als alleinige Begründung für eine militärische Intervention ausreichen.