Der Stein der Weisen, mit denen beliebige Metalle in Gold verwandeln werden können, wurde bisher bekanntlich nicht gefunden. Vielleicht ist das auch ganz gut so, denn würde er tatsächlich existieren, würde der Goldpreis ins Bodenlose fallen. Der Wert des Goldes besteht eben darin, dass es weniger häufig vorhanden ist. Man kann den Stein der Weise allerdings auch, was insbesondere in der Literatur gerne gemacht wird, als Metapher verwenden. Durch den Stein gelang man zu universellen Erkenntnis, zur Einsicht und vielleicht auch zur perfekten Lösung. Aber auch die wird es, zumindest von Menschenhand nie geben. Alles ist immer an ein Abwägen der Vor- und Nachteile gebunden.
Im Buchhandel und Verlagswesen wurde bisher auch noch nicht der Stein der Weisen entdeckt, aber man versteht sich zumindest darauf, bedrucktes Papier (Bücher) in anderes bedrucktes Papier (Geld) umzuwandeln. Wobei dieses Geschäftsmodell gerne auch als Sicherung kulturellen Vielfalt proklamiert wird. Insbesondere dann, wenn das Geschäftsmodell von außen oder innen bedroht wird. Damit niemand auf eine falsche Idee kommt: die Arbeit von Verlagen und Buchhändler ist wichtig. Wir benötigen sie als Bindeglied zwischen Autor und Leser. Das kann man möglicherweise im Zeitalter von Selfpublishing anders sehen, aber es ist kein Geheimnis, wo die Vorzüge der modernen Arbeitsteilung liegen. Ob man als Autor davon profitieren will, entscheidet jeder für sich. Und ob man es kann, ist dann wieder eine ganz andere Sache.
Es soll hier allerdings weniger die Rede von den unterschiedlichen Möglichkeiten der Buchveröffentlichung sein, wobei ein Stück weit davon dennoch relevant ist. Ein Buch veröffentlichen bedeutet eben, es öffentlich verfügbar zu machen. Das impliziert neben den angenehmen Seiten für Autor und Verlag auch die unangenehmen. Wenn etwas öffentlich zugänglich ist, lässt es sich auch kopieren. Das war schon vor dem Buchdruck der Fall. Weniger die legale Vervielfältigung denn die illegale Raubkopie sind hier das Problem.
Eben dieses Grundproblem verschärfte sich parallel mit der technischen Entwicklung. Ein mühevoll von Hand abgeschriebener Text ist weniger bedrohlich als eine mittels Druckerpresse hergestellte Kopie. Die technische Entwicklung führte zur Vereinfachung des Kopiervorgangs und zur Senkung der Kosten bei der Herstellung einer Kopie. Dennoch haftet der physikalischen Kopie immer noch ein schlechter Beigeschmack an. In den meisten Fällen war sie entfernt von der Qualität des Originals. Wer ein Buch unter den Fotokopierer legt, hat am Ende zwar eine Kopie, Genus beim lesen wird sich aber eher weniger einstellen.
Mit der Transformation des Buches in eine digitale Form für entsprechende Lesegeräte entstand ein Dilemma. Wenn ein digitales Werk sich eins zu eins duplizieren lässt, erhält man keine Kopie, sondern ein Duplikat. Selbst Verlag und Autor vermögen nicht zu sagen, was von beiden das Original ist. Jedes Duplikat ist somit ein Original. Das trifft unabhängig davon zu, ob legal oder illegal dupliziert wurde. An der Stelle sitzen Autor und Verlag zusammen mit dem Buchhandel im selber Boot (wenn auch möglicherweise in unterschiedlichen Klassen).
Sobald man eine Bedrohung meint zu erkennen, reagiert man in der Regel darauf mit der Errichtung von Schutzmaßnahmen. Man zieht Mauern hoch, um Feinde abzuhalten, verwendet vergiftetes Papier oder aber setzt einen digitalen Mechanismus ein, der die illegale Duplizierung des Buches verhindern soll. Wobei das gleichzeitig auch zur einer Einschränkung der Nutzungsmöglichkeiten durch den Leser führt. Ein E-Book ist dadurch eben nicht gleichwertig zu einem normalen Buch, welches ich ohne Problem ausleihen oder verschenken kann, wenn i es durchgelesen hat. Je nach dem, wo der Leser das E-Book erwarb, besitzt er allenfalls eine Lizenz, die ihm das Lesen des Textes gestattet. Das Buch selber gehört ihm nicht.
Die einfachere Form des Schutzes ist ein Wasserzeichen im Dokument. Damit lässt sich nachverfolgen, woher das „Original“ stammt. Für immer mehr Verlage scheint das die richtige Option zu sein. Zumal diese auch durchaus leserfreundlich ist, da er das erworbene digitale Buch auf unterschiedlichen Geräten ohne Probleme lesen kann. Ein weiteres Manko von DRM sei an dieser Stelle nicht verschwiegen. Man muss seien Daten, um ein damit geschütztes Buch lesen zu können, einen, wenn auch kostenlosen Account bei Adobe. Einer amerikanischen Firma. Hier ließe sich ein großes Fass zum Thema Datenschutz aufmachen.
Neben der Sichtweise eines Verlages gibt es noch die des Autors. Die meisten werden es sicher nicht für verwerflich halten, wenn sie mit ihrem Werk Geld verdienen. Raubkopien schaden demnach auch ihnen. Schutz ihrer Werke, hört sich demnach im Prinzip erstmal gut an. Allerdings gibt es auch Grenzen, die mit einem neuen Verfahren des Fraunhofer Instituts überschritten werden. E-Books sollen nicht mehr mit einem Wasserzeichen gekennzeichnet werden, sondern durch automatisierte Änderungen am Text. Statt „ungesund“ steht dann zum Beispiel „nicht gesund“. Oder es wird ein Komma entfernt beziehungsweise an anderer Stelle ein Trennstrich hinzugefügt. Sinngleich, aber ebene nicht identisch. Durch genügend solcher Manipulation, so die Absicht, ließe sich dann immer zurückverfolgen, wer die kursierende Version ursprünglich erworben und widerrechtlich verfügbar gemacht hat.
Diese individuellen Markierungen verfälschen jedoch das Werk, sie entziehen dem Autor die Texthoheit. Es ist eben nicht egal, wie bestimmte Sätze formuliert wurden. Nicht nur der Sinn, sondern auch die Form ist entscheidend. Gerade wer als Autor im zähen Ringen mit dem Lektor eine Textfassung festgelegt hat, wird solchen Manipulationen seines Werkes kritisch gegenüber stehen. Aus dem Original wird zur Vermeidung einer Kopie die Fälschung. Man zerstört das, was man eigentlich beschützen wollte. Wie einleitend erwähnt, der Stein der Weisen wurde bisher nicht gefunden.