Jede Generation neigt dazu, laufend über den Verfall der Gesellschaft zu lamentieren, häufig unter der Verwendung der berüchtigten Floskel „die Jugend von heute„. Abgesehen davon, dass man auf diese Weise bereits in der Antike auf jüngere herabblickte, ist diese Pauschalverurteilung falsch und nimmt eine riesige Gruppe Individuen gemeinsam in Haft für das eventuelle Fehlverhalten einzelner. Meistens ist „die Jugend“ auch nicht schlimmer, sondern vor allem anders.
Je größer der eigene Altersunterschied zur so genannten Jugend ist, desto stärker wird deren Verhalten als fremd empfunden. Eine Maßnahme, damit umzugehen, ist die schamlose Anbiederung. Wenn Frauen über 40 einen dicken Schlüsselbund um den Hals tragen wirkt das genauso traurig wie gestanden Väter, die statt in Würde zu altern mit eingezogenem Bauch versuchen, mit der 20 Jahre jüngeren Verkäuferin zu flirten.
Aber ich schweife ab. Die „Jugend von heute“ hat zu Teil andere Werte als wir. Solange das nicht auf besonders schmerzliche Weise kollidiert und das friedliche Zusammenleben in einer Gesellschaft verhindert, ist das völlig in Ordnung. Wenn wir in uns hinein horchen, erwarten wie auf gewisse Weise immer, dass sich die nachfolgenden Generationen auflehnen, rebellisch sind, die Werte über den Haufen werfen. Um so größer ist dann die Verwunderung, wenn unsere Vorteile völlig ins Leere gehen. Wenn wir plötzlich mit jungen Menschen konfrontiert werden, die um einiges reifer wirken, als wir selber möglicherweise in ihrem Alter waren.
Ob „die Jugend von heute“ eine Generation ohne politischen Interessen ist, darüber wurde bereits viele diskutiert und geschrieben. Mir persönlich fällt immer häufiger auf, dass diese Generation auf jeden Fall eine ist, die eine bewusstere Wahrnehmung hat. Die Vorstellungen entwickelt, welche mitunter von uns selber noch vor einigen Jahren als total spießig bezeichnet worden wäre. Und das gilt nicht nur in Bezug auf Partnerschaft, Kinder bekommen und heiraten.
Vorgestern, in der S-Bahn Richtung Kölner Hauptbahnhof. Ein Mädchen und ein deutsch-türkischer Junge, beide geschätzt 16 bis 18 Jahre alt, unterhalten sich über das „Summerjam„-Festival an diesem Wochenende am Fühlinger See. Sie, so ist zu hören, wird wohl zum Festival gehen, es gäbe da eine kleine kostenlose Hintertür, die sie kenne. Er hört aufmerksam zu und lässt durchblicken, dass er wohl auch gerne auf das Festival gehen würde.
„Ich dachte, du magst Summerjam nicht.“
„Ne, die Musik schon, aber nicht wie es hinterher aussieht.“
Der Junge, wie sich herausstellt, wohnt in der Nähe des Fühlinger Sees. Ihn stört erheblich, wie er im weiteren Verlauf des Gesprächs deutlich machte, wie der See und die Umgebung nach dem Festival immer aussieht.
„Die kacken da auch ins Wasser. Das dauert Monate, bis es alles wieder sauber ist.“
Hauptverantwortlich für den Dreck ist wohl die Gruppe der 30 bis 40-Jährigen Besucher des Festivals. Chillen, Musik hören und den Müll einfach dort lassen, wo er gerade anfällt.
Die beiden in der S-Bahn diskutierten dann Möglichkeiten, wie man es hinbekommen könnte, dass der See nach dem Festival nicht wie eine Müllkippe aussehen würde. Den weiteren Verlauf bekam ich leider nicht mehr mit, da ich meine Haltestelle erreichte. Mit aus der Bahn nahm ich jedoch einen Beutel mit Vorurteilen, den ich verschämt in den dafür vorgesehene Behälter auf dem Bahnsteig entsorgte.
Für uns waren die Eltern Spießer, die ins uns Chaoten sahen. Anscheinend sind wir genau das geblieben, zumindest aus der Sicht „der Jugend von heute„, die in gewisser Weise unseren Eltern näher steht als wir es je in der Lage sein werden. Wenn die beiden aus der S-Bahn kein Einzelfall sind, so kann unsere Generation zumindest von sich behaupten, im Hinblick auf die Erziehung ihres Nachwuchses alles richtig gemacht zu haben – ob absichtlich oder zufällig, spielt dabei keine Rolle.
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