Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Wunschzettel als Form der Höflichkeit

Ein Geschenk ist etwas, was aus freien Stücken ohne Erwartung einer Gegenleistung gemacht wird. Daher ist zum Beispiel die Bezeichnung „Werbegeschenk“ irreführend, weil bei solchen immer ein Hintergedanke beim Schenkenden mitschwingt. Einen Flaschenöffner mit dem Aufdruck einer Partei nutzt man nicht, wenn man grundsätzlich andere politische Ansicht vertritt.

Es dämpft vermutlich auch die Partystimmung, wenn man angesichts der verwunderten Blicke anderer auf den Flaschenöffner verlegen erklärt, den habe man mal in der Fußgängerzone geschenkt bekommen. Wobei das allerdings eine interessante Komponente enthält. Das häufige Gefühl Beschenkter, dass was man von anderen bekommen hat, auch entsprechen zu würdigen. Und sei es durch regelmäßige Nutzung oder prominente Platzierung in der heimischen Wohnung.

Der liebevoll gestrickte, aber leider potthässlich Pullover von Tante Auguste wird daher genau deshalb aufgetragen wie auch die völlig unpassende Pflanze im quietschbunten Topf auf dem durchgestylten Balkon einen Platz findet obwohl sie ein sofort ins Auge fallender Fremdkörper ist. Das Geheimnis hier ist, Geschenke als das zu begreifen, was sie wirklich sind. Als etwas ohne Gegenleistung. Man muss sich über Geschenke nicht freuen, wenn sie einem nicht gefallen. Genauso gut hat man auch das Recht, Gegenstände, die einem nicht gefallen, im Hausmüll zu entsorgen. Taktvoll ist es natürlich, wenn man das nicht in Gegenwart des Schenkenden macht.

Beschenkte mit kleinen Kindern sind fein raus. Sie haben die ideale Ausrede, warum denn die Zuckerdose von Mama Martina nicht auf dem Kaffeetisch steht. „Die hat der kleine Tim leider letzte Woche fallen lassen, als er mir beim Abdecken des Tisches helfen wollte.“ In Extremfällen kann es allerdings passieren, das man erneut genau das Gleiche geschenkt bekommt als Ersatz. Ein klärendes Gespräch wäre da besser gewesen.

Wer sich schon immer darüber gewundert hat, warum ältere Menschen oder die eigenen Eltern ab einem gewissen Zeitpunkt vor Geburtstagen und andern Feiern erwähnen, dass sie im Prinzip alles hätten und nichts bräuchten, wenn es um Geschenke geht erklärt sich auch fast von selber. Diese Personen haben in ihrem bisherigen Leben bereit so viele Geschenke bekommen, die sie eigentlich gar nicht haben wollen. Für sie ist jetzt der Punkt erreicht, an dem sie einfach genug davon haben – oder ganz praktisch, weil ihr Keller voller Gerümpel steht, welches sie bisher nicht durch weiter verschenken loswerden konnten.

Die billigste und auch herzloseste Methode, zu schenken und trotzdem immer richtig zu liegen ist der Verwendung von Gutscheinen. Mit Ausnahme vielleicht von Gutscheinen für Sachen, die aus den verschiedensten Gründen für den Beschenkten unpassend sind. Man denke da an einen Jochen Schweizer Fallschirm Tandemsprung für stark Übergewichtige oder an einen Kinogutschein für einen Blinden.

In der Werteskala für Geschenke kommen Gutschein gleich hinter Geld. Sie sind ähnlich einfallslos und zeigen in der Regel, wie wenig der Schenkende über den Beschenkten weiß. Er hat sich nicht mal Mühe gemacht zu nach den wirklichen Wünschen zu fragen. Wobei es auch Menschen gibt, und sicher kennt jeder mindestens einen Zeitgenossen, die sich ausschließlich Gutscheine wünschen. Gutscheine, mit denen sie sich zu einem späteren Zeitpunkt irgendwas zulegen, was dann keinen Bezug zum Schenkenden hat.

Schenken ist anscheinend furchtbar kompliziert. Das Leben könnte viel einfacher sein. Wünsche lassen sich besonders gut erfüllen, wenn man von ihnen weiß. Wenn man nicht miteinander darüber reden will oder kann, gibt es nach wie vor den Klassiker: Wunschzettel.

Der war schon früher, in der eigenen Kindheit, nicht für Weihnachtsmann oder Christkind, sondern für Eltern und andere Personen gedacht. Auf das die Kinderaugen unter dem Tannenbaum besonders groß und das Strahlen im Gesicht besonders hell wurde.

Mit einem Wunschzettel ist beiden geholfen. Dem Beschenkten, weil er das bekommt, was er sich wünscht (zumindest solange den Rahmen nicht sprengt) und dem Schenkenden, weil er sicher sein kann, etwas auszuwählen, worüber sich der Beschenkte wirklich freut. Ein Wunschzettel ist, wenn man so will praktizierte Selbst- und Nächstenliebe und empfiehlt sich allein schon aus Höflichkeit.

Es muss nicht mal ein Wunschzettel sein, der bei einem großen Online-Versender hinterlegt ist und zu 100% Konsumgüter enthält. Man kann auch irgendwo anders eine Liste hinterlegen, auf der dann auch gerne Sachen wie „wieder mal einen ruhigen Abend zu zweit“ oder „etwas Trost in schwer Stunde“ stehen können.

Man gewöhnen sich daher also an, einen Wunschzettel zu führen. Oder aber man lässt sich nur noch von Menschen beschenken, die einen so richtig gut kennen – also von sich selber.

2 Kommentare

  1. Ist das jetzt die verspätete Erkenntnis, nachdem Ihr bei meinem letzten Geburtstag meinen Wunschzettel ignoriert und mir was geschenkt habt, was ich schon besaß? ;-)

    1. Das war in dem Fall volle Absicht, auf Grund eines doch sehr kurzen Wunschzettels. Merke: der Wunschzettel sollte sollte doppelt so viele Punkte wie eingeladenen Gäste aufweisen. ;-)

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