Auch diejenigen in der Bevölkerung, welche sich mit einer Woche Sommer pro Jahr abgefunden haben werden gelegentlich den Wunsch verspüren zu wisse, warum dies eigentlich so ist. Die letzten zwei Jahre ist der Sommer mindestens gefühlt ins Wasser gefallen.
Im Internet ist man mit der Schaffung von Zusammenhängen und Verschwörungstheorien schnell bei der Sache. Mit etwas Recherche lässt sich leicht die Ursache für die letzten verregneten Sommer herausfinden. Richtig lange heiß war es zuletzt 2010. Wir erinnern uns, das war das Jahr, in dem Reihenweise die Klimaanlagen in den Fernzügen der Bahn ausfielen. Kollabierende Reisende, Notarzteinsätze am Bahnsteig und eine Deutsche Bahn, welche die Schuld für die Misere bei den Herstellern der Züge ausmachte.
Noch im selben Jahr versprach die Bahn Abhilfe zu schaffen. Der naive Kunde nahm selbstverständlich an, damit würde ein Umrüstung der Züge gemeint sein und Klimaanlagen eingebaut werden, die auch bei Temperaturen über 32 Grad Celsius noch funktionieren. Überhaupt muss man sich, wie man eigentlich auf die Idee gekommen ist bei der Bestellung der Zuggattung, mit so einer schmalbrüstigen Anlage auszukommen. Bereits in Ende der 80er Jahre kletterte das Thermometer gerne auch mal über die kritische Marke.
Tatsächlich fand die Bahn in den Folgejahren eine Lösung für ihr Problem mit den Klimaanlagen. Dabei ist die Gleichung ganz einfach. Ohne Sonne und Sommer arbeiten die Klimaanlagen halbwegs zuverlässig. Ein verregneter „Sommer“ bedeutet daher zufriedenere Kunden, denn die beschweren sich bei dem Wetter zumindest nicht über defekte Klimaanlagen.
Ein neueren Definition zu Folge beginnt der Sommer erst dann, wenn auf mindestens 10 Fernverkehrsstrecken der Bahn in Zügen die Klimaanlagen ausfallen.
Mal ganz im Ernst. Die Bahn hatte fast drei Jahre Zeit, das Problem in den Griff zu bekommen. Passiert ist aus Sicht vieler Reisender nicht besonders viel. In der letzten Woche gab es wieder mehrere Züge mit Abteilen, in den die Klimaanlagen ausgefallen war. Besonders ungünstig in Fernzügen, wo sich kein Fenster öffnen lässt und die auf bestimmten Strecken ehedem notorisch überfüllt sind. Immerhin hat man bereits angekündigt, künftigen auf Anglizismen im Unternehmen zu verzichten. Ob das wirklich ein Fortschritt ist oder aus Rücksichtnahme auf die mangelhaften Sprachkenntnisse der Mitarbeiter geschieht, sei dahin gestellt.
Eine Woche später, immerhin Ende Juni, muss man in Nordrhein-Westfalen wieder zum Wollpullover greifen. Deprimierende Regengüsse rufen einem ein bekanntes Lied von Rudi Carell in Erinnerung. Eigentlich sollte man in Bezug auf den Sommer die Beweislast umkehren. Demnach müsste die Bahn beweisen, dass nicht sie Schuld daran ist, wenn statt Handtücher auf den Liegewiesen der Freibäder Heizdecken im heimischen Wohnzimmer angesagt sind.
Das die Beeinflussung des Wetters kein besonders billiges Vergnügen sein kann, wurde auch durch die jüngste Äußerung des Bahn-Chefs Rüdiger Grube deutlich, der die Kunden schon mal vorsichtig auf eine weitere Preiserhöhung im Herbst vorbereitet:
Klar ist: Unsere Kostenbelastung steigt weiter – vor allem wegen der steigenden Umlage für Ökostrom[…]
Quelle: stern.de
Von wegen Ökostrom. Den lässt sich die Bahn doch bereits durch höhere Ticketpreise bezahlen. Ein Euro mehr pro Person und Strecke kostet den Kunden sein persönlicher Beitrag zum Klimaschutz, wenn er mit dem sogenannten „Umwelt-Plus“ reisen will. Aus nachhaltigem Reisen wird im Herbst nachträgliches Bepreisen. Und der zahlende Kunde kann sich dabei sicher sein, im nächsten Sommer entweder im Regen zu stehen oder um Atemluft ringend in Zügen mit defekter Klimaanlage zu sitzen.