Es bedarf keiner Überlegung, um den Spruch „Ding Jinhao was here“ auf einem Wandrelief in einem 3.500 Jahre alten ägyptischen Tempel als das zu identifizieren, was er ist. Das ist weder „Graffiti“ noch eine Schmiererei, sondern schlicht und einfach Vandalismus.
Was für kulturelles Erbe gilt, trifft jedoch in gleicher Weise zu, wenn es um öffentliches und privates Eigentum wesentlich neuerem Datums gilt. Die dortigen Hinterlassenschaften sind alles andere als Kunst, selbst wenn es mehr als ein „Tag“ ist. Diese Tags stehen, um es mit aller Deutlichkeit zu benennen, auf gleicher Stufe wie die Reviermarkierung durch Urinieren – ein von Hunden bekanntes Verhalten.
Währen die Hinterlassenschaften von Hunde mit der Zeit auf natürliche Weise entsorgt werden, sind Schmierereien an Hauswänden, Garagentoren oder Zügen dauerhaft. Ihre Beseitigung, sofern möglich, ist aufwendig und kostenintensiv. Nicht wenige Menschen können vermutlich den Schritt der deutschen Bahn, künftig Drohnen gegen Sprayer einzusetzen, nachvollziehen. Der Zweck, so könnte man meinen, heiligt die Mittel.
Die so genannten Graffitis verdeutlichen das Scheitern der Pädagogik. Wer Eigentum andere nicht respektiert und zur Spraydose greift, handelt mutwillig und setzt sich über gesellschaftliche Spielregeln hinweg. Es ist in solchen Fällen demnach nach nicht gelungen, demjenigen Respekt und Einfühlungsvermögen beizubringen. Letzteres würde nämlich zur Erkenntnis führen, dass andere Menschen sich mit Sicherheit nicht über die Schmierereien freuen werden. Wer sprüht, will provozieren mit seiner Straftat.
Wie hoch der Schaden, welcher der Bahn jährlich durch die Besprühung von Zügen entsteht, ist zweitrangig. Das die Schäden grundsätzlich beseitigt werden sollten, folgt der Logik der Broken-Windows-Theorie . Grafitis im öffentlichen Raum führen letzten Endes dazu, dass sich die Bürger unsicher fühlen.
Die technischen Details der Überwachung mittels Drohnen sind Aspekt, der völlig unerheblich ist. Ob die Fluggeräte lediglich über Bahngelände fliegen oder nicht, spielt genauso wie die Flughöhe oder Reichweite keine Rolle. Viel wichtiger sind die mit dem Einsatz verbunden gesellschaftlichen Folgen. Dieser sollte man sich, unabhängig von der eigenen Position in Bezug auf die „Graffiti“ bewusst sein. Die Drohnen sind so etwas wie ein Fuß in der Tür. Schon bald wird sich die Frage stellen, warum man ausschließlich Bahneigentum mittels Drohen überwacht. Im öffentlichen Raum gibt es genügend andere Anlässe zur Überwachung.
Fußballspiel, Demonstrationen, Veranstaltungen wie der Kölner Karneval oder andere Großereignisse. Überall, wo möglicherweise Straftaten begangen werden könne, würde sich entsprechend auch eine Überwachung durch Drohnen anbieten. Das Ganze passiert dann nicht nur bei einem konkreten Verdachtsmoment, sondern präventiv. In letzter Konsequenz würde damit der gesamte öffentlich Raum (und vermutlich nicht nur dieser) der totalen Überwachung unterliegen.
Was mit einer einfachen Spraydose angefangen hat, führt auf diese Weise zu eine Veränderung der Gesellschaft, in der wir alle leben – hin zu einem Überwachungsstaat. Auch wenn sich vielleicht sogar das individuelle Sicherheitsgefühl erhöhen würde, dürfte das wohl kaum die Gesellschaft sein, in der wir leben wollen. Für die Vergehen Einzelner darf nicht die gesamte Bürgerschaft in Haftung genommen werden. Es daher geboten, über Alternativen zur Überwachung durch Drohnen nachzudenken.
Die entscheidende Fragen bei den durch die Verwendung für Spraydose verursachten Schmierereien ist doch die, warum die Spraydosen so leicht verfügbar sind. Es wäre wert darüber nachzudenken, ob Spraydosen auch in Zukunft unkontrolliert in Baumärkten an jegliche Personen verkauft werden dürften. Was spräche, so ein Leserkommentar auf der Webseite der Süddeutsche Zeitung, dagegen, die Sprühdosen nur noch „gegen Vorlage des Personalausweises unter Angabe von Gründen für die Art und Menge“ abzugeben? So etwas ließe sich sicher ohne den hohen Aufwand, den die Bahn zur Überwachung durch Drohnen betreiben wird, umsetzen.
4 Kommentare
Registrieren beim Spraydosenkauf?
Dann aber auch bei allem anderen, denn ich muss hier niemandem erst zeigen, was ich für tollen Sachen ich mit einem Sägeblatt machen kann, oder?
Und schon haben wir das Dilemma…
Stimmt. Aber wie sähe denn dann eine andere Lösung aus?
Das Doofe ist: es gibt keine Lösung.
Guck dir mal Ausgrabungen an. Oder Höhlen. Wir haben schon immer alles vollgeschmiert. Das scheint ganz tief drin zu stecken.
Ob das Resultat gefällt oder nicht, ist dabei gar nicht relevant. Der Mensch schmiert.
Natürlich nimmt das schonmal überhand und vor allem, wenn untalentiertere Leute sich betätigen, wird es sehr ärgerlich.
Bei der Bahn fällt mir zum Thema Drohnen nur ein, dass das noch eine Quelle für folgende Ansage ist: „Störungen im Betriebsablauf“. :(
Es gibt aber auch Verhaltensweisen, die man Menschen abgewöhnen kann / sollte. Wie zum Beispiel das öffentliche urinieren. Nun ja, Hunde sind da leichter stubenrein zu bekommen.