Ende des letzten Jahres hatte die SPD gerade noch mal 477.037 Mitglieder. Wenn man die Mitgliederentwicklung der Partei seit 1990 betrachtet, ist das ein Rückgang von fast 1 Millionen Mitgliedern auf gerade einmal die Hälfte.
Im Vergleich mit anderen Parteien in Deutschland ist das immer noch eine beachtliche Mitgliederzahl, auch wenn die SPD mittlerweile leicht unter der CDU liegt. Rein von den Zahlen betrachtet wäre die SPD damit immer noch eine Volkspartei, auch hinsichtlich ihres Programms für den Wahlkampf 2013. Es stellt sich aber die berechtigte Frage, wie hoch die Bindungskraft der Sozialdemokraten noch ist.
Man verrät kein Geheimnis, wenn man darüber spricht, wie es auf einer durchschnittlichen Mitgliederversammlung eines Ortsvereins aussieht. Von den gemeldeten Mitgliedern erscheinen durchschnittlich sechs bis maximal zehn Prozent. Das war Anfang der 90er Jahre so, nach der Jahrtausendwende und ist heute nicht anders. Das Problem der Genossen ist es, ihre Mitglieder über eine Wahl hinaus zu mobilisieren.
Auf Ebene der Ortsvereine kann so etwas schnell existenzbedrohend werden. Vor allem dann, wenn Gremien mangels Personen nicht mehr besetzt werden können. Dies führt in letzter Konsequenz zur unvermeidlichen Zusammenlegung einzelner Ortsvereine. Grundsätzlich lösen lässt sich das Problem damit allerdings nicht. Es stellt sich die Frage, wie die Partei, wie der einzelne Ortsverein seine Mitglieder einbeziehen kann.
Die Frage nach dem Wie greift aber zunächst zu kurz. Wesentlich wichtiger wäre es, sich Gedanken darüber zu machen, was jemanden dazu bewegt, in Partei einzutreten. Erst wenn man die Gründe kennt, kann man entsprechend nach Antworten auf die andere Frage suchen. Als Hauptgründe für einen Eintritt in eine Partei dürften eine ausgeprägte politische Verbundenheit gelten und, wahlweise auch oder, der Glaube, diese Partei könne ein ganz bestimmtes Problem lösen, welches dem Neumitglied auf den Nägeln brennt.
Lässt man den einen Grund für einen Eintritt außer Acht, bleibt die Überzeugung, die SPD wäre in der Lage, bestimmte Probleme zu lösen. An dieser Stelle wird es für Ortsvereine als Gliederung der Partei interessant, denn genau an dieser Stelle kann es zum einem fundamentalen Missverständnis kommen. Mittlerweile wird vermutlich niemand in eine Partei eintreten, wenn ihm ein neuer Fahrradweg im Stadtviertel ein Anliegen ist, er Einfluss auf den Bau einer Umgehungsstraße oder ähnlichem aus seinem direkten Umfeld nehmen möchte. In solchen Fällen wir er einer Interessengemeinschaft, einem Nachbarschafts- oder Bürgerverein beitreten. Genau damit konkurriert ein Ortsverein dann. Nicht mit anderen lokalen Parteien.
Parteiarbeit heute muss den interessierten Bürger, dass Neumitglied, da abholen, wo es gerade steht. Möglicherweise greifen politische Themen, die sich auf das nähere Umfeld des jeweiligen Ortsvereins beziehen, zu kurz. Berücksichtigt werden muss zudem, mit welchen anderen Formen der „Freizeitbeschäftigung“ eine Partei konkurriert. Engagement kostet Zeit, unbestritten. Einfach nur seine Verbundenheit mit einer Partei durch eine Mitgliedschaft zum Ausdruck zu bringen, ist ein recht einfacher und bequemer Weg. Sich aktiv einzubringen, ist etwas ganz anderes.
In den einzelnen Gliederungen einer Partei sollte man sich entsprechend darüber klar werden,aus welchen Gründen sich ein Mitglied einbringt und wann dies überhaupt noch möglich ist. In den 150 Jahren des Bestehens der SPD hat sich die Arbeitswelt grundlegend geändert. Ebenfalls vermutlich auch die Mitgliederstruktur der Partei. Von Arbeitnehmer wird stärker den je Flexibilität und Mobilität erwartet. Das wirkt sich insbesondere auch aus auf die Zeiträume, in den der einzelnen sich einbringen kann in die Gesellschaft.
Berufspendler, die bis 18 Uhr im Büro sind, können mit Sicherheit nicht um 19 Uhr an einer Sitzung eines Gremiums teilnehmen. Und schon gar nicht an Veranstaltungen am späten Nachmittag.Wenn Parteien welcher Couleur auch immer ihre Mitglieder da abholen wollen, wo sie sind, müssen sie die darauf Rücksicht nehmen. Parteiarbeit heute bedeutet entsprechend, die Lebenswirklichkeit der eigenen Mitglieder zu kennen.