Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Oft gesehen, aber nie missverstanden. Der Partnerlook als Steigerungsform modischer Grausamkeiten. Was aus der Sicht Betroffener Verbundenheit ausdrücken soll, wirkt auf die Umwelt eher leicht dümmlich – harmlos ausgedrückt. Partnerlook wirkt wie eine Uniform, spricht die Beziehung wird militarisiert. Oder es ist die Berufskleidung, um deutlich zu machen, man müsse sich in der Ehe an etwas abarbeiten.

Dabei stellt sich eigentlich die Frage, ob wir in unserem Alltag nicht noch anderweitig uniformiert sind – selbst ganz ohne Partner(look). Je länger man darüber nachdenkt und dabei auch fleißig sein Umfeld beobachtet, desto eindeutig fällt die Antwort aus. Die ich möchte wichtig sein und trage einen Anzug Menschen (und solche, die aus anderen Gründen zu dieser Bekleidung greifen) sehen in den meisten Fällen, zumindest wenn sie einigermaßen geschmackssicher gekleidet sind, gleich aus. Ein seriöse Langeweile-Grau-Schwarz verstopft den Loungebreich ebenso wie die Premiumberereiche in Fernzügen.

Lässt man die gern gepflegten Vorurteile beiseite fällt einem darüber hinaus auf, dass auch Otto-Normal zumindest unten herum in den meisten Fällen eine Uniform trägt. Die Anzahl der Bluejeans-Träger auf einem durchschnittlichen Bahnsteig beträgt weit über 60 Prozent. Der Rest sind Anzugträger oder Frauen, die einen Rock tragen, weil ein gewisses Körperteil in einer Hose, vor allem wenn sie eng ist, erschreckend deutlich betont würde.

Seit einigen Jahren werden die Gemeinsamkeiten auch in den Bereich des Oberkörpers fortgeführt, so dass der Eindruck einer Uniform verstärkt wird. Der Trend urbaner Menschen, die ein Film über den Wald schon für erschreckend viel Natur halten, Ausrüstungskleidung zu tragen, setzt sich in der breiten Masse der Bevölkerung durch. Sehr deutlich zeigt sich dabei eine Präferenz für bestimmte Marken. Wer es sich leisten kann, greift zu Mammut. Häufiger vertreten sind North Face und vor allem aber Jack Wolfskin.

Um an einen durchschnittlichen Tag die Personen zu zählen, die am Kölner Bahnhof sowohl Jeans als auch irgendetwas von Jack Wolfskin tragen, benötigt ein durchschnittlich begabter Mensch auf jeden Fall ein elektronisches Hilfsmittel. Längst sind wir so individuell wie die letzte Kollektion des Herstellers. Abheben von der Masse kann man sich nur durch modischen Anachronismus. Cordhosen sind da ein sicheres Mittel, um sich als Lehrer, Dozent oder gescheiterter Intellektueller auszuweisen. Kombiniert man die Hose noch mit Mephisto Schuhen, hat man wahrscheinlich einen Pfarrer, Studienrat oder Autor esoterischer Ratgeber für gescheiterte Veganer vor sich.

Wirkliche Individualisten verpflichten sich künftig vermutlich bei der Bundeswehr, denn durch die Abschaffung der Wehrpflicht sinkt die Anzahl der „Bürger in Uniform“ kontinuierlich.

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