Zu den Aufgaben des sogenannten Qualitätsjournalismus gehört es, seine Quellen zu prüfen und vor allem sich nicht nur auf eine Quelle zu verlassen. Es wundert daher, dass derzeit sich ein Thema nahezu unreflektiert wie ein Virus ausbreitet.
Die Webseite der „Fanboys“ und ihr Podcast waren mir bisher nicht bekannt. Und dabei zähle ich mich durchaus zu den digitaltechnikaffinen Menschen. Seit Donnerstag heisst es in der „Episode #111 – Gedrosselt„, die Telekom beabsichtige, in ihren jeweiligen Datentarifen eine Volumenbegrenzung einzuführen. Sofern das Volumen überschritten würde, würde die Geschwindigkeit auf 384 KBit/s gedrosselt.
Bereits einleitend heisst es:
Eine Mitarbeiterin der Deutschen Telekom informierte uns über Pläne und eventuelle Fehlentwicklungen in Sachen DSL.
Quelle: fanboys.fm
Genau so wurde das dann, einschließlich der angeblichen Tabelle, ab wann in welchen Tarifen gedrosselt wird, in zahlreichen Blogs, via Twitter und facebook weiterverbreitet. Jeder gab das wieder, was andere vor ihm bereits schon berichtet hatten. Nur sehr wenige machten sie die Mühe wie Macnotes.de , bei der Telekom nachzufragen.
Die Telekom selber äußerte sich in ihrem eigene Blog dazu leider nicht eindeutig genug für viele Kunden, auch wenn es eindeutig im Text heisst:
Bisher gibt es keine neuen Tarife.
Quelle: Telekom.de
Vielleicht sollte man so etwas mit , fett, rot, unterstrichen und mindestens in einer 38 Punkte großen Schrift auszeichnen, damit es ins Auge fällt. Für mich selber war an dieser Stelle das Thema schon längst erledigt. Dann aber stieß ich bei Zeit Online auf einen Artikel von Kai Biermann, der zumindest für mein Empfinden nachlässig recherchiert wurde – um es mal vorsichtig und höflich auszudrücken. Mich ärgert hier insbesondere, dass Biermann nur das wiederholt, was tags zuvor schon auf zahlreichen anderen Internetseiten zu lesen war. Neue Erkenntnisse hatte er nicht zu bieten. Von der Journalisten, der für die ZEIT arbeitet erwarte ich, dass er sich mit dem Pressesprecher der Telekom in Verbindung setzt. Das andere Quelle herangezogen werden. Einen Text einfach so runterschreiben kann ich auch. Leider ist Biermann kein Einzelfall, denn auch andere Magazine und Zeitungen lieferten eine ähnliche Meldung.
Unabhängig davon lernt man im Deutschunterricht bereits in der Unterstufe, Argumente sorgfältig abzuwägen und beide Positionen darzustellen. Dazu gehört auch, sich damit auseinander zu setzen, was im Blok der Telekom zu lesen ist. Natürlich gibt es derzeit eine Quersubvention bei den Tarifen. Es gibt Kunden, die nutzen nur einen Bruchteil dessen, was sie nutzen könnten, während andere Trafic erzeugen, als ob es kein Morgen geben würde. Vergleichen lässt sich das gut mit einem Frühstücksbuffet zum Festpreis, wie es gerne auch in Köln sonntags genutzt wird. Der Betreiber des Restaurants oder Cafés macht bei so etwas eine Mischkalkulation hinsichtlich des Preises. Einige Kunden werden nur ganz wenig essen, andere normal, wenige wiederum sehr viel – man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Gaußschen Normalverteilung.
Wenn jetzt mehr und mehr sehr hungrige Kunden sonntags auf das Büffet stürzen, geht die Kalkulation nicht mehr. Es gibt durchaus Restaurants, die auf diese Weise soweit in die roten Zahlen gerutscht sind, dass sie schließen mussten.
So viel zu den generellen Überlegen im Blog der Telekom. Nun hinkt das Beispiel allerdings etwas, da es zu stark vereinfacht. Die erheblich Zunahme des allgemeinen Datenvolumens im Internet in den letzten Jahren lässt sich nicht bestreiten. Wie selbstverständlich werden riesige Datenpakete aus dem Netz geladen. Wir hören Musik über das Internet, schauen darüber Fernsehen, kommunizieren, machen unsere Dateibackups in der Wolke und vieles mehr. Allways online. Das hat seinen Preis. Gleichzeitig trägt die Telekom als Anbieter einer Infrastruktur auch dazu bei, den Datenverbrauch in die Höhe zu treiben, zu Beispiel mit ihrem hauseigenen Entertain-Angebot.
An dieser Stelle wird es dann kniffelig, denn hier kommt das Stichwort Netzneutralität ins Spiel. Bereits jetzt lassen sich bei der Telekom Tarife abschließen, die zu einer Bevorzugung führen. Wer den Musik-Streamingdienst spotify auch mobil nutzt, fährt am besten mit einem Tarif der Telekom, denn damit wird der Datenverbrauch für das Streamen von Musik nicht auf das normale Kontingent angerechnet. Kritiker der Telekom befürchten, dass diese Praxis auch im Festnetzbereich Einzug haben wird. So würde dann dem hauseigenen Filmangebot der Telekom gegenüber der Konkurrenz ein enormer Vorteil entstehen, wenn für ein Video über Entertain kein Datenvolumen berechnet wird, wohl aber bei lovefilm, watchever oder Apple.
Bei der Telekom heisst es lapidar:
Auf der einen Seite wächst das Datenvolumen exponentiell. Die Netze müssen also massiv ausgebaut werden und das kostet Milliarden. Auf der anderen Seite kennen die Telekommunikationspreise seit Jahren nur eine Richtung: abwärts und das rasant.
Quelle: Telekom.de
Richtig dran ist, dass es keinen Weg vorbei an einem Netzausbau gibt. Falsch dagegen ist die Behauptung, die Preise würden sich rasant abwärts bewegen. Ich für meinen Teil bin seit Mitte der 90er Jahre Kunde bei der Telekom. Über die Jahre sammeln sich so einige Rechnungen an. Hier ein paar Beispiel für Festnetztelefonie und Internet:
- Januar 2002 – 75,69 Euro
- September 2003 – 78,08 Euro
- März 2004 – 78,59 Euro
- August 2008 – 79,03 Euro
- Oktober 2010 – 62,52 Euro
- März 2013 – 58,76 Euro
Für mich sähe ein rasante Sturzflug bei den Preisen anders aus. Natürlich kann man hier einwenden, dass sich die Leistungen der Telekom verändert haben und ich mittlerweile VDSL 50 nutzen kann. So was nennt man technische Weiterentwicklung. Man kann selbstverständlich nicht beständig das gleiche Produkt zum selben Preis verkaufen. Selbst wenn man Inflationsrate und ähnliches heranzieht, macht die Telekom bei mir noch einen ziemlich guten Schnitt. Dazu kommt auch noch ein Mobiltarif, der eine Sprachflat behinhaltet – völliger Blödsinn für mich, da ich so gut wie nie von unterwegs aus telefoniere. Erstattet bekomme ich das nicht verbrauchte Volumen auch nicht – da sind einige Krankenkassen teilweise mit Bonuszahlungen für gesunde Mitglieder weiter.
Für die Preisentwicklung trägt die Telekom die Verantwortung. Ein bisschen kommt mir das alles auch vor wie ein Drogendealer. Erst wird der Stoff verschenkt, dann ordentlich abkassiert. Unsere Gesellschaft ist mittlerweile sehr stark auf das Internet und eine schnelle Datenverbindung angewiesen. Oder anders gesagt: wir sind in unserem Alltag abhängig davon geworden. Internet ist Infrastruktur. Bei wichtige Infrastruktur wie zum Beispiel Straßen, Wasserversorgung etc. sollte der Staat gut überlegen, ob es etwas ist, was privatwirtschaftlich angeboten werden sollte oder ob da nicht das Gemeininteresse schwerwiegender ist – aber das nur am Rande.
Komme wir ganz unaufgeregt wieder zurück nach diesem kleinen Exkurs zum Anfang. Seitens der Telekom gibt es möglicherweise eine Überlegung, neue Datentarife mit einer Drosselung anzubieten.
Natürlich ändert sich für bestehende Verträge nichts […]
Quelle: Telekom.de
Zunächst einmal sind solche Überlegungen legitim. Alles andere, gerade auch in Bezug auf die gefährdete Netzneutralität, sind wilde Gerüchte. Da wartet man zunächst einmal ab, bevor man die Pferde scheu macht oder eine Sau durchs Dorf treibt. Die Telekom als Feindbild macht sich jedoch ebenso wie andere (ehemalige) Staatsunternehmen ganz gut. Da kann man die Neigung einiger Journalisten fast verstehen, wenn sie über so ein Thema Aufmerksamkeit erregen wollen.