Eine berechtigte Frage bei einem Tatort mit Till Schweiger ist selbstverständlich die, was man davon erwartet. Wo Till Schweiger drauf steht, ist auch Till Schweiger drin, wie er selbst so schön sagt. Genau das ist das Problem des Tatorts vom vergangene Sonntag.
Zu den Merkwürdigkeiten des Versuchs, einen Klassiker des deutschen Fernsehens zu modernisieren, gehören die Presse-Rezensionen. Wie schreibt es die Zeit so schön falsch: „Der Tatort [vom vergangene] Sonntag gehört definitiv zu den großartigsten seit sehr langer Zeit.“ Es muss eine andere Sendung gewesen sein, die ich gesehen habe, den für mich war der Tatort eher ein Tiefpunkt deutscher Fernsehkultur.
Dabei gehört es zu den vielen Missverständnissen, wenn man die Figur des Nick Tschiller mit Schimanski vergleicht. Götz George ist Schauspieler und Charakterdarsteller, Till Schweiger ist vor allem er selbst. Er nuschelt sich durch den Tatort, was ihm seine Tochter in einer Nebenrolle gleich tut.
Versuchen wir die Handlung, soweit vorhanden, zu fassen. Nick Tschiller kommt vom SEK nach Hamburg, um dort als Ermittler zu arbeiten. Wo genau und warum, erfährt der Zuschauer nicht. Muss wohl irgendwas mit der Tochter zu tun haben (und der Ex-Frau). Immerhin hat die ein iPad. Tschiller dagegen hat nicht nur eine Waffe, sondern nutzt diese auch direkt in den ersten Minuten so intensive, dass man den Eindruck erhält, statt eines roten Fadens würde man hier eine Blutspur nehmen.
Tschiller trifft auf osteuropäische Mädchen, die zur Zwangsprostitution gezwungen werden (deswegen heisst sie auch so). Dahinter steckt ein türkischer oder irakischer Clan, genaues erfährt man nicht. Es sind einfach böse Männer mit Bärten, die finster dreinblicken. Mehr muss man wohl auch nicht wissen. Welche Motive genau den ehemaligen Kollegen von Tschiller, der jetzt als „Berater“ der Mädchenhändler sein Geld macht, antreibt, spielt auch keine Rolle.
Spulen wir vor, lassen dabei die Staatsanwältin, die den Arsch von Tschiller geil findet, beiseite und kommen zu Schluss. Natürlich befreit Tschiller fast im Alleingang alle Mädchen, wird mehrfach von seinem Vorgesetzt abgemahnt, wodurch es ihm zumindest am Ende gelingt, seinen Ex-Partner nicht zu töten, was wohl eher dem Reflex der Figur entsprochen hätte.
Als Krimi-Autor kann man von diesem Tatort vor allem lernen, wie man es auf gar keinen Fall machen sollte. Der Film enthält so viele Fehler, dass einem schon schwindelig werden kann (wobei man hier zur Verteidigung fast schon anführen müsste, dass es auch andere Tatort-Folgen mit der wirklichen Polizeiarbeit nicht so genau nehmen). Schon nach dem ersten verpatzten Einsatz würde ein Ermittler abgezogen werden. Statt dessen geht es munter weiter mit Tschiller, das Gespräch mit der Staatsanwältin verkommt zur Farce. Ohne auf die Eigensicherung zu achten stürmt Tschiller Gebäude, bringt mal eben eine wichtige Zeugin ohne Rücksprache in einer Privatwohnung unter und belügt ohne eine Mine zu verziehen (was bei Schweiger nicht schwer ist) Kollegen und Vorgesetzte. Welche Straftaten sein Kollege Yalcin Gümer alle begangen hat mit seinem Hackerangriffen, lassen wir mal ganz außen vor. Vor allem deshalb, weil Yalcin Gümer (gespielt von Fahri Yardim) die einzig wirklich gute Figur des gesamten Tatorts war.
Noch mal zu Schimanski und Tschiller im Vergleich. Die Bindung von Handlungsort und Figur ist bei Schimanski auch etwas, was einen erheblichen Reiz der Filme ausmachte. Einen Schimanski konnte es so in der Form nur in Duisburg geben. Bei Tschiller ist Hamburg gegen jede andere Stadt auswechselbar. Figur und Ort bleiben sich seltsam fremd. Aber vielleicht gab es ja einen Grund für Hamburg. Mit der Alster wollte man zumindest etwas mit Tiefgang im Tatort haben.
Und falls jemand sich dazu genötigt sieht anzumerken, dass die Einschaltquoten beim Tatort doch sehr gut gewesen sein: viele der Zuschauer haben sich den Tatort angesehen, um ihre gefestigte Meinung über Till Schweiger bestätigen zu lassen. Der Tatort war, wenn man es so will, ein Genuss, wenn man es mag, Figuren beim Scheitern zuzusehen.