Sofern man etwas bereits zu zweiten Mal macht in Köln, handelte es sich laut einem rheinischen Motto bereits um eine Tradition. Beim dritten Mal wäre es dann schon Brauchtum. Insofern handelte es sich für mich beim „Mörderischen Vergnügen 2013“ bereits um eine Brauchtumsveranstaltung.
Zweimal ist Tradition, dreimal ist Brauchtum.
Als Imi und jeglicher Form von Brauchtum erstmal skeptisch gegenüber stehend würde ich für meinen Teil erstmal nur von einem gelungenen Abend sprechen, auch wenn das noch lange nicht ein Fazit ist.
Fangen wir, wie bei jedem guten Krimi, von vorne an. So ganz habe ich die Zusammensetzung der Lesenden noch nicht verstanden, was wohl auch dran liegt, dass ich erst zum dritten Mal im Publikum saß. Die Moderation jedenfalls übernahm wieder Tommy Millhome, der sich nur äußerlich zu den vorherigen Malen verändert hat – er ist gealtert, um es wenig charmant auf den Punkt zu bringen. Für den musikalischen Background sorgte Steffen Paesler, was ich wie bereits davor schade finde. Das liegt nicht nur sondern gerade an der Leistung von Paesler. Es ist schlichtweg zu schade, dass sein gekonntes Spiel als Hintergrundkulisse missbraucht wird. Musik muss man auch zu würdigen wissen, da reicht ein Applaus nicht immer aus.
Aber ich war ja selber nicht auf Grund der Musik beim „Mörderischen Vergnügen“, sondern wegen der Lesungen. Gespannt sah ich im Vorfeld dem Auftritt von Nele Neuhaus entgegen, die zum ersten Mal in der Domstadt vor Publikum las. Chronologisch betrachtet folgte sie an zweiter Stelle, den vor ihr hatte Jörg Nießen seinen Auftritt. Während ich ihn beim ersten Mal noch ganz gut fand, im letzten Jahr nur noch „na ja“ hätte ich bei einer festen Platzreservierung wohl in diesen Jahr die Gelegenheit genutzt, erst nach seinem Part meinen Platz einzunehmen. Nicht das mich das Scheiß-Thema (was durchaus wörtlich zu nehmen ist) gestört hat. Es sind zwei Punkte, die weit aus schwerer wiegen. Bei dem, was er zum Besten gab, handelte es sich auch nicht mal ansatzweise um einen Krimi.
In der Hinsicht sollte man natürlich nicht päpstlicher als der Papst sein, zumal diese Position derzeit auch vakant ist. Ein großes Plakat außen am Domforum erinnerte dran – man ist schließlich in Köln. Auch Andreas Izquierdo präsentierte keinen Krimi – aber zu dem kommen wir später noch.
Was mich persönlich im besonderen Maße stört ist schlicht und einfach die Tatsache, dass Anekdoten keine Erzählung ergeben, wie ich bereits in Bezug auf „Halt, stehenbleiben! Polizei!: Aus dem Leben eines Ermittlers angemerkt habe. So eine Geschichte kann man mal im Bekanntenkreis erzählen (möglichst mit zeitlichem Abstand zur letzten Mahlzeit). Gedruckt muss es so was nicht geben. Es sind eher Bücher für Nichtleser, die bei so was herauskommen. Sparen wir uns das und gehen über zur Nummer zwei.
Die ja eigentlich die Nummer eins ist. Nele Neuhaus, Deutschlands Krimilady mit Veröffentlichungen ihrer Bücher in über 22 Ländern, die selbst in den USA Erfolge feiert, was wirklich außergewöhnlich für eine deutsche Autorin ist. Man muss nicht mit Superlativen hantieren, da Nele Neuhaus auf Grund ihres uneitelen Auftretens ganz von alleine für sich einnimmt. Die Frau hat es wirklich geschafft, wo von andere Autorinnen und Autoren nur träumen. Von Books on demand zu einem Verlagsvertrag.
Sparen wir weitere Lobhudelei und kommen zu Lesung von ihr – ein echter Krimi nach dem Tagebuch eines Rettungssanitäters. Die erste Stelle wirkte auf mich atmosphärisch dicht, bildreich und authentisch. Eine zwielichtige Figur auf dem Campingplatz, die ihr Einkommen durch Pfandflaschen sammeln bestreitet und gegen Geld anderen hilft. Dann eine Szene in der Gerichtsmedizin mit der ich meine Probleme hatte. Nicht weil hier das Fachwissen fehlt, sondern genau das Gegenteil. Frau Neuhaus ist wirklich gut informiert, hat sauber recherchiert. Mein Problem damit ist, nennen wir es mal den Twisted River Effekt. Das Buch von John Irving, einem meiner absoluten Lieblingsautoren, „Letzte Nacht in Twisted River“ hat genau das Problem. Es scheitert an dem Zuviel. Bei Hintergrundwissen und Recherche kommt es innerhalb der Prosa auf die Dosis an. Ist diese zu gering, zweifelt man an der Glaubwürdigkeit des erzählten. Ist sie zu hoch, fühlt man sich schnell belehrt. Ein Roman ist kein medizinisches Fachbuch – oder sollte zumindest keins sein. Die zweite Passage aus dem Krimi von Neuhaus war genauso tot wie das Mädchen auf dem Seziertisch. Die Dialoge wirkten auf mich gestellt, um das Fachwissen herum gestrickt. Das ist schade und geht sicher besser.
Vor der Pause las als Dritter Andreas Izquierdo. Wie bereits erwähnt, auch kein Krimi. Nicht nur, weil er mein Nachbar hier im Stellwerk60 ist, halte ich seinen Text für den besten des Abends. Die Passage aus seinem Buch „Das Glücksbüro“ überzeugte mich auf ganzer Linie. Kein Krimi, sondern verdammt gute Literatur. Eine Geschichte, die viele andere Texte überdauern wird. Die Bilder stimmig, die Sprache frei von Holpersteinen und schließlich eine bezaubernde Grundidee.
Neuerdings hatte Albert seine besten Ideen, wenn er nachts ganz alleine, beim Schein einer Kerze, in der riesigen Kantine zu Abend aß und die Schatten der Tische und Stühle aussahen, als würden sie im Geflacker auf spindeldürren Beinen herumtanzen.
Andreas Izquierdo „Das Glücksbüro“
Dieser Albert Glück arbeitet nicht nur in einem Amt, er wohnt auch dort. Und das, obwohl ihn niemand eingestellt hat. Eines Tages landet ein Antrag auf seinem Schreibtisch, der eine Reihe von Komplikation mit sich bringen wird. Albert lernt dadurch Anna Sugus kennen.
Alles weitere sollte man besser selber lesen, denn ich für meinen Teil erwarb das Buch unmittelbar in der Pause (was nicht ganz korrekt ist, denn ich habe es mir kaufen und signieren lassen).
Pause. Genau nach selber hatte Frank Schätzing seinen Auftritt, wieder zunächst mit einem Ratespiel für’s Publikum. Für Internetaffine Menschen wenig spannende Fragen. Was die Wiedervereinigung von Nord- und Südkorea angeht, befindet sich Schätzing aber noch nicht auf dem neusten Stand. Da sind die Südkoreaner weit aus skeptischer als Schätzing, auch vor dem Hintergrund der mit einer Vereinigung verbundenen Kosten (die wissen genau, was uns unsere Einheit gekostet hat). Zumindest eine Abstimmung verlief meiner Meinung nach ganz gut, nämlich die, bei der es darum ging, was Schätzing vorlesen sollte. Die Mehrheit wollte eine alte Kölner Geschichte von ihm vorgelesen bekommen. Dafür gibt es wohl Gründe.
Der Text selber ist, wie Schätzing kommentierte, eine Art Frustbewältigung. Seine persönliche Rache an einen Auto-Raser. Als Autor hat man halt so seine Möglichkeiten. Gefallen hat mir an seinem Text, dass auch andere Autoren ihrer Rachephantasie mitunter freien Lauf lassen. Die Story selber war leider nach dem ersten Drittel vorhersehbar, was die Spannung abflachen ließ. Nicht nur durch den Bezug gefiel mir der Text aber wesentlich besser als das, was Schätzing vor zwei Jahren aus „Limit“ gelesen hatte.
Zum Abschluss schaffte es Ralf Kramp mit „Uschi mein Sonnenschein“ aus der Anthologie „Aufgebockt und abgemurkst“ das Publikum zum lachen zu bringen. Ein waschechter Krimi mit Eifel-Bezug. Auf Grund des Themas der Anthologie hatte der Texte von Kramp auch einen Camping-Bezug, was in gewisser Weise an die erste Szene von Nele Neuhaus anknüpfte. Was Kramp wirklich gut kann, ist nicht nur seinen Text stimmig vorzutragen (lesen wäre etwas untertrieben), sondern er besitzt eine Form von ironischen Understatement, die herrlich ist. Wie er Schätzing noch nebenbei auf den Arm genommen hat gefiel mir. Mit dem von Schätzing zurückgelassenen halb ausgetrunkenen Wasserglas wollte Kramp prompt die ersten drei Reihen des Publikums segnen.
Alles in allem fand ich den Abend gelungen. Freuen kann ich mich schon mal auf die Zuglektüre für die nächsten Tage. Danke sollte man auch Nele Neuhaus, dass sie trotz Erkältung ihre Teilnahmen nicht abgesagt hat. Ein nicht selbstverständlicher Einsatz.