Von allen guten und bösen Geistern verlassen

„Er bewegt sich, schläft, isst und trinkt genau wie alle anderen. Trotzdem ist er sehr leidend.“ (Molière: Der eingebildete Kranke)

Autoren sind Simulanten. Wobei hier nicht der medizinisch oder umgangssprachlich Gebrauch des Wortes gemeint ist, sondern die Bedeutung des Begriffes ‚Simulant‚ im technischen Zusammenhang. Der Autor simuliert die Wirklichkeit. Im Kleinen bildet er einen Ausschnitt der Welt nach, platziert seine Figuren und simuliert deren Leben. Damit erzeugt er eine Illusion, die der Leser rezipiert.

Wie jede Simulation folgt auch eine vom Autor ausgedachte Geschichte gewissen Regeln. Zum einem Meta-Regeln, die für die Textform und das gewählte Genre gelten. Zum anderen Regeln welche für die Handlung und die simulierte Welt einzuhalten sind. Gelingt dies, taucht der Leser in die erfundene Welt ein.

Zwischen Prosatexten und Spielen gibt gewisse Berührungspunkte. In beiden Fällen wird, in unterschiedlicher Intensität, eine Geschichte erzählt. Sehr ausgeprägt lässt sich das bei den klassischen Pen & Paper Rollenspielen erkennen. Im Gegensatz zu einem Roman erlebt hier nicht ein Leser für sich die Geschichte, sondern mehrere Personen tauchen gleichzeitig in eine fiktive Welt ein. Zudem habe sie die Möglichkeit, im vorgegebenen Rahmen die Handlung durch eigene Entscheidungen zu beeinflussen.

Thematische Gesellschaftsspiele und auch entsprechende Computerspiel vermögen das Gleiche. Sie simulieren einen Ausschnitt aus einer Welt, folgen gewissen Regeln und lassen die Spieler eintauchen in das Geschehen. Die Kunst dabei ist die Reduktion auf bestimmte Aspekte, die durch die Spielmechanik abgebildet werden.

Ein faszinierendes Beispiel dafür ist das kooperative Spiel Spaceteam (für iOS). Gemeinsam versuchen alle Spieler, durch die richtige Bedienung ihres Raumschiffs dieses so lange wie möglich flugfähig zu halten.

Das Ganze ist nicht nur spaßig, sondern zeigt auch, mit wie wenig Mitteln man mitunter auskommt, um ein bestimmtes Gefühl zu simulieren.

Genau das gilt wiederum auch für Autoren. Die Kunst liegt in der Reduktion, in der Entscheidung, was gefahrlos weggelassen werden kann, ohne das die Simulation zusammenbricht. Im Spiel wie in einer Erzählung geht es darum, im Kopf des Spielers / Lesers Bilder und Gefühle zu erzeugen.

Für einen Krimi bedeutet es zum Beispiel, dass man als Autor nicht in allen Details den Mord schildern muss (auch wenn es gerade in Mode ist). Andeutung reichen aus, die Lücken füllt der Leser, sofern er sich auf die Simulation eingelassen hat.

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