Die Leiche von Frau Doll lag immer noch in der Wohnung über ihm. Manche Dinge vergass Dittmann nicht, obwohl er in diesem Fall froh darüber gewesen wäre.
In seiner Hosentasche steckte ein Stück Papier. Ein Briefumschlag, adressiert an Doris Doll. Altpapier offensichtlich. Dittmann warf es in seinen Papierkorb, der bereits überquoll. Er musste sich bücken, um den Umschlag aufzuheben und erneut hinein zu befördern. Oben auf lag ein weiterer Umschlag, der an ihn adressiert war und den gleichen Absender trug. Im Gegensatz zum Umschlag von Frau Doll hatte Dittmann seinen sorgfältig mit einem Brieföffner aufgeschlitzt.
Für einen kurzen Moment befiel ihn leichte Panik. Der Brieföffner lag aber dort, wo er immer lag. Ihm haftet auch nichts verdächtiges an. Aus dem Regal zog Dittmann einen der Ordner, in denen er den Schriftverkehr aufbewahrte. Sorgfältig abheftet befand sich darin auch der Brief von der Dukata. Das Haus sollte modernisiert und anschließend verkauft werden. Den bisherigen Mietern räumte man dabei aus Verbundenheit, wie es ausgedrückt wurde, die Möglichkeit ein, ihre Wohnung zu erwerben.
An dem Brief der Immobilienverwaltung hing noch ein Schreiben seiner Bank. Eine Empfehlung, die Wohnung zu kaufen verbunden mit einer großzügigen Kreditzusagen. Der Zinssatz lag unter dem, was Dittmann für seine Geldanlage derzeit bekam.
Soweit Dittmann sich erinnerte, verfügte Frau Doll nur über eine geringe Rente. Zum Kauf ihre Wohnung hätte es nicht gereicht. Sie gehörte jedoch zu denjenigen, die am längsten im Haus wohnten. Freiwillig wäre sie nie ausgezogen. Wobei sich das, so wie Dittmann es sah, wohl erledigt hatte. Dem Vermieter ersparte das Ableben von Frau Doll einen Streit vor Gericht. Und vermutlich auch eine Menge Geld sowie Zeit.
Dittmann wurde bewusst, dass er immer noch seine Pantoffeln anhatte. Damit ging er in die Küche. Ein Kaffee würde ihm beim nachdenken helfen. Laut Küchenuhr war es immer noch kurz nach halb zehn. Das ausbleiben Ticken ließ Dittmann auf eine leere Batterie schließen. Zu seinem Glück befand sich im Kühlschrank noch das Schraubglas mit Kaffee.
Exakt fünfzehn Minuten später saß Dittmann mit einem dampfenden Becher Kaffee in der Küche, als es an der Tür klingelte. Es das zweite Mal an diesem Tag. Im Unterschied zum letzten Mal hatte Frau Sander diesmal keinen Koffer in der Hand. Ihrem Gesicht fehlte zudem die beunruhigende Blässe.
„Sie haben die Polizei schon verständigt.“ Es klang mehr wie eine Feststellung denn wie eine Frage. „Was haben sie gesagt?“
„Frohe Weihnachten?“
„Oh, Entschuldigung, ihnen auch Herr Dittmann.“
Es dauerte etwas, bis Herr Dittmann das Missverständnis aufklären konnte. Noch viel länger benötigte er dafür, Frau Sander klar zu machen, dass keine Polizei unterwegs war.