Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Das Wetter derzeit ungemütlich und nass bei 14 Grad. Morgen am Heilige Abend regnerisch und bis zu 16 Grad. Heinz Dittmann, Kriminalkommissar a.D., schaltet das Radio aus. Die aktuelle Verkehrslage interessierte ihn nicht mehr. Auch das Wetter spielte im Grunde keine Rolle. Seine Wohnung lag im dritten Stock eines Altbaus in der Weißenburgstraße. Das Zimmer in dem er über seinen Schreibtisch gebeugt saß, ging zur Straße hinaus. Selbst im Sommer drang nur wenig Licht durch das Fenster. Die Schreibtischlampe brannte daher fast ununterbrochen.

Dittmann rückte die Brille auf der Nase zurecht und betrachtet die kleine Figur in seiner Hand. Das Modell eines Streifenpolizisten. Die Grundierung hatte er bereits gestern aufgetragen. Jetzt ging es darum, die Details hervorzuheben. Trotz seiner siebenundsechzig Jahre zitterte seine Hand, die den Pinsel führte, nicht. Blau oder grün, dass interessierte Dittmann wesentlich mehr als die Wettervorhersage. Den Übergang zur neuen Uniform hatte er kurz vor seiner Pensionierung noch mitbekommen.

Das halbfertige Diorama vor ihm zeigte ein Fall, den bearbeitet hatte. Ein Raubüberfall in Köln-Dellbrück mit Geiselnahme. Nach zähen Verhandlungen konnte der maskierte Täter damals zur Aufgabe bewegt werden, ohne dass ein Schuss fiel. Grün. Dittmann entschied sich für die Farbe, die ihm besser gefiel. Ein kalter Lufthauch streifte seinen Rücken. Dittmann setzte die Figur ab und legte den Pinsel sorgfältig auf die Schreibtischunterlage.

Die Tür zum Zimmer stand wieder auf, so dass sich die kalte Luft aus dem ungeheizten Flur an der Wärme des Kohleofens vorbeischlich. Die Tür knarzte, als Dittman sie zuzog. Mit der Hand fühle er vorsichtig über dem Ofen. Nur noch lau warm. Dittmann öffnete die Luke. Ein Rest Kohl glomm darin. Spätestens in einer halben Stunde würde er neue aus dem Keller holen müssen. Auf dem Weg zurück zum Schreibtisch stieß er gegen den vollen Kohleneimer. Also hatte er bereits Kohle geholt.

Dittmann schüttelte den Kopf und setzte sich an den Schreibtisch, nahm wieder die Figur in die Hand und tauchte den Pinsel in die blaue Farbe. Die Fensterscheibe vibrierte, als draußen auf der Straße ein Lastwagen vorbeifuhr. Ansonsten blieb es ruhig. Dittmann genoss die Ruhe, er konnte sich dabei besser konzentrieren. Sonst bekam er von den Nachbarn im Haus mehr mit, als ihm lieb war. Die Decken und Wände ließen zu viel durch. Über ihm trippelte heute allerdings nicht der Dackel von Doris Doll über das Parket. Möglicherweise hielt sie sich bei Verwandten auf und hatte den Hund gleich mittgenommen.

Auch wenn er selbst Weihnachten seit dem er ganz alleine war nicht mehr feierte, freute er sich jedes Jahr darauf. Das Haus kam zur Ruhe, weil die meisten andere Mieter über die Feiertage wegfuhren.

2 Kommentare

  1. Ich hätte eher „Trotz seiner siebenundsechzig Jahre zitterte die pinselführende Hand nicht.“ geschrieben. Diese Schachtelsätze sind mir übrigens ein Graus :-)

    Dir und Deiner Familie frohe Weihnachten!

    1. Käme unter Umständen besser. Der Kurzkrimi ist allerdings nicht überarbeitet, sondern wird quasi noch warm veröffentlicht. Für den weiteren Reifungsprozess müsste man da tatsächlich noch mal einiges schleifen.

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