Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Tag 16 des NaNoWriMo. Damit liegt mehr als die Hälfte der Strecke bereits hinter einem. Zumindest zeitlich. Was die Anzahl der noch zu schreiben Wörter im restlichen Teil des Monats angeht, trägt jeder sein ganz persönliches Bündel. Tröstend mag es diejenigen, die sich weit abgeschlagen wähnen, dass man auch weit vorne noch täglich kämpfen muss.

Gestern Abend machte mir meine Motivation keine Probleme, die ist nach wie vor vorhanden. Dafür trat aber etwas auf, was ich als Ladehemmung bezeichnen würde (für einen Krimi passt das auch ganz gut). Das Ziel des zu schreibenden Kapitel vor Augen ging es trotzdem nur langsam voran. Mitten im Kapitel dann der völlig Aussetzer, Panik. Gnadenlos tickte der Pomodoro Timer weiter. Was mich am schreiben hinderte, war ein zeitliches Paradoxon, welches mir beim plotten nicht aufgefallen war. Konnte es auch nicht, da mir erst beim schreiben des Kapitels bewusst wurde, dass ich die Handlung gerade so weiterführte, als ob ein bestimmte Ereignis bereits geschehen sei. Das fand aber erst zwei Kapitel später statt. Zu Beginn des Kapitels A dachte ich noch, den Bogen hin zu bekommen und rechtzeitig zum Ende zu finden. Dann stand mein Antagonist unvermittelt ohne Blumenstrauß wieder vor seinem Auto. Die Person, die er besuchen wollte lag im Krankenhaus, die Blumen schenkte er spontan der Putzfrau. Allerdings würde sein künftiges Opfer erst in Kapitel C ins Krankenhaus kommen. Das brachte mich so durcheinander, dass ich die Figur in einer Blumenhandlung am Friedhof einen neuen Strauß kaufen ließ und sie zum Krankenhaus schickte. Dort steht sie jetzt, eingefroren in der Szene, wo ich sie über Nacht warten ließ.

Direkt nach dem Aufstehen ging es dann an den Schreibtisch. Eine Nacht darüber schlafen bewirkt nicht nur manchmal wunder, sondern sorgt auch dafür, dass man schläft. Ausreichend Schlaf und frische Luft sind nicht nur im NaNoWriMo wichtig für die Konzentrationsfähigkeit. Spätestens wenn ich ein leichtes Summen im Kopf habe, was beim mir untrügliches Zeichen einer Übermüdung ist, sollte ich mit dem schreiben pausieren. Genau das tat ich gestern Abend nicht. Das Ergebnis war so furchtbar, dass jeder Versuch, den inneren Kritiker zu bändigen, misslang. Entgegen anders lautender Empfehlung ist es punktuell vielleicht sogar gut, wenn er aus seinem dunklen Keller herauskommt und einen Blick auf die Szene wirft. Mir hat es geholfen, die Ladehemmung zu beseitigen. Sonst wäre ich auch zu blockiert für das weitere Schreiben gewesen. Das Ende von A schnitt ich ab, es gab einen neuen Zwischenteil, der sich gut im logischen Aufbau der Handlung macht und einen Anknüpfungspunkt für Kapitel E liefert. C bekam dann vor den ersten Satz eine Anmerkung verpasst, dieses Kapitel später an eine andere Stelle zu verschieben.

Damit löst sich bei mir der Knoten. Bis zum Frühstück heute morgen flossen die Worte wieder in gewohnter Geschwindigkeit. Manchmal ist der Verstoss gegen eine Regel oder Empfehlung, wie in meinem Fall die mit dem inneren Kritiker, genau das Richtige. So ist das auch mit vielen anderen Tipps im NaNoWriMo. Wenn der Wind zu stark ist, der einem ins Gesicht bläst, einfach umdrehen und die Richtung ändern.

2 Kommentare

  1. Diese Ladehemmung kenne ich auch. Bei mir trat sie ein, als ich feststellte, dass meiner geplanten Familie ein Kind fehlt, das ich eigentlich später noch zu brauchen gedachte. Nun, der kleine Wolf fehlt immer noch, der wird dann im zweiten Durchgang ergänzt. An späterer Stelle so zu tun, als sei er da, konnte ich einfach nicht.

    Übrigens war meine Motivation bis zu den 50k hervorragend, seither schwindet sie gewaltig. Dabei ist der Roman noch nicht zuende erzählt und noch viel zu tun. Auch das kann ein Übel im NaNoWriMo sein.

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