Das Schreibtreffen vom vergangenen Wochenende wirkt noch bei mir nach. Eine interessante These geht mit seit dem nicht mehr aus dem Kopf. Das Genre Krimi sei befreiend. In wenigen anderen Bereichen der Literatur könne man den Protagonisten einfach an den Herd seiner Küche stelle und ihn Rührei mit Shrimps zubereiten lassen, ohne das sich der Leser daran stören würde.
Je länger ich darüber nachdenken, desto stärker neige ich dazu, dieser These zu zustimmen. Insbesondere in den Lokalkrimis sind solche Tätigkeiten etwas, was nicht nur nicht stört, sondern mitunter sogar erwartet wird. Der (ermittelnde) Protagonist hat ein Privatleben, welches sogar bis zu fünfzig Prozent der gesamten Handlung ausmachen kann. Dabei kann selbst ein unwichtiges Detail später eine Bedeutung für den zu lösenden Fall bekommen. So ist es vorstellbar, dass die Heldin aus dem Beispiel beim kochen das Fehlen der benötigten Shrimps feststellt, einkaufen geht und dort dann eine wichtige Beobachtung macht. Oder eben nicht. Sie kann sich bei der Zubereitung entspannen, so dass ich unvermittelt etwas einfällt, was die Aufklärung des Falls vorantreibt. Am Ende des Buches könnte sich auch herausstellen, dass die Szene mit den Shrimps überhaupt keine Rolle gespielt hat.
Meiner Meinung verleihen solche Szenen und Details der Figur eine zusätzliche Dimension, die sie glaubwürdig und plastisch erschienen lassen kann. Wohlgemerkt kann, denn wenn das Verhalten überhaupt nicht zur Figur passt, entsteht genau der gegenteilige Effekt. Mich selber reizt beim Krimi auch diese Einflechtung von Nebensächlichkeiten. Einer meiner zwei Protagonisten untersuchte gestern verdächtige Kreise in einem Maisfeld. Am Tag zuvor hatte es geregnet, der Polizist trug bequeme Lederslipper, die er von seiner Lebensgefährtin geschenkt bekommen hatte. Wie die Schuhe nachher aussahen, kann sich jeder wohl gut vorstellen.
Heute, im übernächsten Kapitel, stellte mein Protagonist die dreckigen und völlig ruinierten Schuhe erstmal ins Badezimmer, in der Annahme, sich später noch mal darum kümmern zu können. Ein Anruf seiner Liebsten machte ihm klar, dass sie früher als erwartet von einer Fortbildung zurück sein würde. Keine Chance mehr, ein identisches Paar Schuhe zu erwerben. Das belastende Beweismaterial aus dem Badezimmer vergaß er dann, weil dringend zu einem neuen Tatort musste.
Später erfüllen die Schuhe dann den Zweck falsch ausgepresster Zahnpastatuben – ein Tropfen zu viel, um einen ausgewachsenen Beziehungsstreit vom Zaun zu brechen. Wie im echten Leben wirken sich privates auch auf den Beruf aus und umgekehrt. Die Protagonisten sind eben keine Superhelden ohne Privatleben – wobei auch Figuren Batman und Superman gerade dadurch interessant werden, dass sie ein solches haben.
Ob es wirklich am Genre liegt – ich denke nicht. Er an einer bestimmten Art zu erzählen oder zu schreiben. Die kann dann tatsächlich befreiend sein.