Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Die Entdeckung der Schnelligkeit

Im NaNoWriMo geht es darum, innerhalb von 30 Tagen 50.000 Wörter zu schreiben. Zumindest sind davon nicht wenigen Teilnehmer überzeugt. Aber eigentlich geht es darum, den Kampf mit seinem eigenen inneren Schweinehund aufzunehmen und ihn nieder zu ringen. Sich vor allem selber zu beweisen, dass man es schaffen kann, einen Roman zu schreiben.

Zum Sieg gehört auch immer die Niederlage, aber wirklich verlieren kann man beim NaNoWriMo nicht. Wenn man es in diesem Jahr nicht schafft, dann eben im nächsten Jahr. Oder im Jahr darauf. Wichtig ist, was man für sich selber für Erkenntnisse aus diesem sehr intensiven Monat zieht. Man bekommt einen Eindruck davon, was man in der Lage ist zu schaffen. Unheimlich Begegnungen der dritten Art mit seinen ganz persönlichen Schreib-Vermeidungsstrategie sind auch wahrscheinlich. Auch wenn man am 30. November die 50.000 Wörter nicht erreicht hat, ist man auf jeden Fall um mindestens eine Erfahrung reicher.

Diejenigen, die es geschafft haben, können sich zu Recht freuen und stolz auf ihr Ergebnis sein. Allerdings, und auch das ist ein wichtiger Teil des NaNoWriMo, sollte jedem bewusst sein, was er geschrieben hat: einen ersten Entwurf, keine fertigen oder gar druckreifen Roman. Der weitaus anstrengendere Teil der Arbeit liegt noch vor einem. Die Überarbeitung und „Ausreifung“ des Textes kann schon mal mehrere Monate in Anspruch nehmen.

Während der 30 Tage im November schreibt man zwar seinen Text ganz für sich allein, hat aber stets doch das Gefühl, es gibt da draußen noch eine Menge andere Menschen, die genau so verrückt sind wie man selber. Menschen wie du und ich, die versuchen, täglich rund 1.670 Wörter zu schreiben – was nicht nur an manchen Tagen hartes Brot sein kann. Wer mag, kann zu den wöchentlichen Schreibtreffen gehen (die es auch in Deutschland in einigen Städten gibt), wo man nicht nur einen anderen Raum zum konzentrierten schreiben hat, sondern sich auch mit anderen austauschen kann. Im Vordergrund steht dabei das gegenseitige Helfen. Genau dafür gibt es auch das NaNoWriMo-Forum.

Es gibt die Bereiche zur Organisation, zum plaudern oder auch für ganz konkrete Fragestellungen, zum Beispiel wenn man sich nicht sicher ist, welchen Schaden eine AK-47 auf eine Distanz von 127 Metern anrichtet. Krimi-Autoren interessiert die Antwort darauf brennend. Andere lesen solche Threads eher nicht. Das muss man auch nicht, jeder tummelt sich dort, wo er sich wohlfühlt.

Auch wenn alle eigentlich vom gleichen Geist des Schreiben beseelt sein sollten, gibt es manchmal doch Meinungsverschiedenheiten. Das liegt daran, dass Autoren auch nur Menschen mit ihren ganz persönlichen Empfindlichkeiten sind. Versuchen wir es mal, vorsichtig zu formulieren. Die Entdeckung, dass es bereits nach fünf Tagen Beiträgen von Leuten gibt, die sich über das Erreichen der 50k Grenze freuen, kann auf andere, die nicht so schnell sind, demotivieren wirken. Dabei geht es gar nicht darum, denjenigen, die so schnell waren, den Erfolg nicht zu gönnen. Sondern einzig und allein darum, was so ein Beitrag mit einem selber macht. Um einfach nur mit den Schulter zu zucken und weiter zu schreiben, muss man schon sehr gelassen sein. Bei den meisten wird sich eine dunkle Wolke überm Kopf bilden und der Selbstvorwurf, man sei zu langsam, wird an einem zumindest ein kleines Stück nagen. Zu entdecken, wie schnell andere sind, während man selber den Eindruck hat, nicht von der Stelle zu kommen, wirkt demotivieren. Das ist einfach so und liegt in unsere Natur. Auch wenn wir uns vornehmen, es nicht zu wollen, vergleichen wir uns permanent mit anderen. Was uns unterscheidet, ist die Art, wie wir mit dem Frust umgehen.

Einige suchen Leidensgenossen, um sich gegenseitig zu stärken. Andere fressen es in sich hinein, leiden darunter und werden noch langsamer. Wieder andere kanalisieren die negative Energie und wandeln sie in produktive Schreibenergie um, die sie anspornt und weiter bringt. Und die letzte, zum Glück sehr kleine, Gruppe beschwert sich lauthals. So ist das, weil wir eben unterschiedlich sind. Bei so einer großen Menge Menschen mit einer so wagen Gemeinsamkeit (einen Roman in 30 Tagen schreiben) ist die Bandbreite einfach enorm. Da es aber genügend Platz gibt, kann sich jeder in einen anderen Raum setzen wenn es ihm in den einem Raum nicht passt – und manche Räume muss man auch erst gar nicht betreten.

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