Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Der Mensch ist ein kompliziertes Wesen, bei dessen Lieferung keine Bedienungsanleitung beiliegt. Insbesondere über sich selbst erfährt man nur in einem mühe-, oft auch sehr schmerzvollen Lernprozess.

Ein sonniger Tag mitten Im Herbst. Der Morgen beginnt mit einem Lächeln, man ist mit sich und der gesamten Situation überwiegend zufrieden. So ein Zustand kann bei bestimmten von uns nicht von Dauer sein. Unbewusst steuern wird dagegen und trachten danach, uns selber unglücklich zu machen. Schon ein parkendes Auto auf dem Gehweg, an dem wir eigentlich gut dran vorbeikommen würden, regt uns auf. Zu den größten Fehlern, die wir machen können gehört es, unser Herz an materielle Dinge zu hängen.

Wenn wir zurückdenken an unsere Kindheit, an Weihnachten (ist zufälligerweise heute in zwei Monaten wieder): versuchen wir uns den Moment vorzustellen, an dem die empfunden Freude am stärksten war. Es war bei vielen vermutlich nicht das Essen, der gemeinsame Besuch eines Gottesdienstes oder die Tatsache, wieder alle Mitglieder der Familie zu sehen. Die Freude verbanden wir mit den Geschenken. Das Auspacken war in mehrfacher Hinsicht der Höhepunkt. Danach gab es immer nur die Enttäuschung. Nicht deshalb, weil man mal nicht das bekommen hatte, was auf dem Wunschzettel ganz oben stand, sondern weil der Moment des Auspackens unwiederbringlich verloren war.

Schlimmer wurde es dann im Freundeskreis, wenn man neidisch auf das schielte, was andere bekommen hatten. Das war immer besser als die eigene Geschenke. Über die Jahre hat sich das Verhalten nicht wesentlich weiterentwickelt. Durch eigenes zur Verfügung stehendes Geld kann man jeden Tag Weihnachten haben, sich jederzeit selber beschenken. Ausgepackt wird nur noch der Umkarton, das Geschenkpapier ist dem eigentlichen Kaufprozess gewichen. Je häufiger wir uns auf diese Weise selber beschenken, desto größer wird das Loch, welches wir in unsere Unzufriedenheit reissen. Es immer schneller, schöner, besser sein. Diesen Kampf können wir nur verlieren.

Gestern wurde von Apple neue Geräte vorgestellt. Ein iMac, Mac mini, Mac Book 13″, das neue iPad mini und ja, auch ein neues „großes“ iPad, gut ein halbes Jahr nach dem das „neue“ iPad auf dem Markt kam. Und da ist es wieder, das Gefühl der Unzufriedenheit. Man schaut auf die Sachen, mit denen man gestern noch glücklich war, dann taucht dieses unbeschreibliche Monster in uns auf. Flüstert uns zu, wie alt und schäbig unsere Sachen doch sind und wie unglücklich wir doch sein müssen mit dem, was wir unseren Besitz nennen. Zufriedenheit ist eine vom Aussterben bedrohte Tugend. Auch deshalb, weil sie den Umsatzsteigerungen großer Firmen und Konzerne im Weg steht.

Auch ich gehöre zu denen, die sich vor gerade mal drei Wochen ein iPad 3 gekauft haben. Im festen Glauben, es würde allenfalls in diesem Jahr ein iPad mini geben. Jetzt heisst es, die Prozessorleistung habe sich verdoppelt. Besonders glücklich macht es nicht. Aber man schaut halt nicht auf das, was man in der Hand hat, sondern auf das, was oben auf dem Dach sitzt und um so viel schöner wirkt. Rationell betrachtet ist selbst das allerste iPad noch ein gutes Gerät. Aber man kann, will, möchte – ganz unbedingt. Dabei merkt man nicht, um wie viel Zeit man sich bringt, in dem man über solche Sachen nachdenkt.

Als Menschen machen wir Fehler. Unser Vorteil ist es, dass wir gelegentlich dazu in der Lage sind, draus zu lernen. Im Fall vom noch neueren iPad heisst das für mich und viel andere, einfach hinsetzen und eine gute Tasse Tee genießen. Sich darüber aufzuregen, wie ungerecht Apple ist, bringt nichts und ist die Sache nicht wert. Wenn wir uns unbedingt aufregen wollen, dann bitte schön über wirklich relevantes. Über die steigende Armut in Deutschland, über die Misshandlung von Tieren, aus denen wir unser Essen produzieren lassen – Themen genug gibt es.

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