Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Historische Berichterstattung

Über ein Buch zu schreiben, dessen Anfang einem gefallen hat, sollte doch nicht schwer sein. Leider habe ich aber vom Buch, wie üblich, sollte ich hinzufügen, nicht nur den Anfang gelesen. Aber fangen wir genau dort an.

„Der Trümmermörder“ von Cay Rademacher beginnt mit folgendem Satz:

Im Halbschlaf tastet Oberinspektor Frank Stave nach dem Körper seiner Frau, bis er sich dran erinnert, dass sie vor dreieinhalb Jahren verbrannt ist.

Ein starker Einstieg, wie ich finde, wenn auch sprachlich vielleicht nicht das Optimum, was sich aus der Idee rausholen ließe. Für mich war dieser eine Satz Grund genug, den Krimi zu kaufen. Erst später ist mir dann aufgefallen, was den Krimi ganz offensichtlich von anderen aus dem Genre unterscheidet. Die allermeisten Krimis und auch Romane werden im Präteritum geschrieben. Der „Trümmermörder“ verwendet das Präsens. Merkwürdig vor allem auch deshalb, weil der Krimi in der Vergangenheit spielt. Vielleicht soll auf diese Weise die Handlung besonders authentisch wirken.

Der Plot ist schnell umrissen. Im Hamburg der Nachkriegszeit, mitten im besonders kalten Winter 46/47 geht ein Mörder um. Die Opfer unterschiedlichen Alters und Geschlechts werden völlig entkleidet auf Trümmergrundstücken gefunden. Bedingt durch die Kälte ist eine Bestimmung des genauen Todeszeitpunktes unmöglich. Nach vier Morden bricht die Serie unvermittelt ab. Oberinspektor Stave bleibt dennoch am Fall dran, auch wenn die Auflösung immer unwahrscheinlicher wird.

Nicht nur auf dem Cover, sondern auch noch mal explizit im Nachwort wird betont, dass der Krimi entlang eines wahren Falls geschrieben ist. Möglicherweise ist genau das der Fehler. Der Reiz der ersten Kapitel ist recht schnell verflogen, dann quält man sich weite Teile durch den großen Mittelteil des Romans, wartet auf das Ende. Die Spannung nimmt dabei kontinuierlich ab, als man sicher sein kann, wer der Mörder ist und wie der Showdown aussehen wird. Der Handlung tun die großen Zeitsprünge, teilweise sogar bis zu einem Monat, nicht gut. Beim größten Sprung war ich schon fast davor, das Buch aus der Hand zu legen.

Rademacher kämpft leider erfolglos gegen das Problem einer sehr dürftigen Faktenlage, die er mit Füllmaterial aufzubauschen versucht. Selbst bei den schlechteren Krimis, die ich in letzter Zeit gelesen habe, wirken die Nebenstränge nicht so konstruiert wie im „Trümmermörder“. Verwirrung stiften auch Szenen, bei den mittendrin ein Bruch in der Handlung verläuft. Die Figuren sind unvermittelt mit einem Gespräch fertig, ohne das man als Leser dies mitbekommen hätte. An einer Stelle war es auch so, dass zwei Absätze überhaupt nicht zueinander passten, obwohl die Szene die gleiche war.

Fazit: Dem Krimi hätte vor allem eins gut getan: eindampfen auf die Hälfte des Seitenumfangs. Oder um im Bild des Nachkriegsdeutschlands zu bleiben: Die über 300 Seiten des „Trümmermörders“ sind eine sehr dünne Suppe – so kann man natürlich literarisch die damalige Unterversorgung deutlich machen.

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