Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Im Rahmen der crime cologne fand gestern Abend eine Lesung mit vier deutschen Krimiautorinnen statt. Die „Ladies-Crime-Night XXL“ startete um 20 Uhr im Lübbe Foyer in Köln-Müllheim.

Das Bastei-Lübbe seinen Sitz in Köln hat, war dem Autor dieser Zeilen bis dahin nicht bekannt. Entschuldigend lässt sich nur die geographische Lage anführen, was aber nicht näher erläutert werden muss. Bewusst hatte ich mich für eine Veranstaltung mit Autorinnen entschieden, die ich bis dahin noch nicht kannte – auch nicht Zoë Beck, aber dazu später mehr. Um es gleich vorweg zu sagen: die Lesung hat einen durchwachsenen Eindruck hinterlassen. Fangen wir aber an mit den unbestreitbar positiven Dingen. Dazu gehört neben der Location das hervorragende Team von Mitarbeiterinnen bei Lübbe, die sich fürsorglich um das Wohl der Gäste kümmerten. Ein ganz großes Lob noch mal an dieser Stelle dafür. Überraschend waren auch die im Veranstaltungspreis von 12 Euro inbegriffenen Getränke und das Büffet mit Fingerfood. Nicht irgendwelche einfachen Getränke in Plastikbecher, von denen es nur für jeden eins gab, sondern eine reichhaltige Auswahl ohne Limit. Mit einem Hauch von Curry gewürzte Hackbällchen und frittierte Garnelen bildeten neben frischen Obstspießen und anderen Leckereien einen gelungenen Abschluss der Lesung. Zusammen mit einem Glas Rotwein konnte man dann am Büchertisch entlang schlendern und sich anschließend die erworbenen Exemplare gleich von den Autorinnen signieren lassen.

Davor gab es aber die Lesung, zu der man eigentlich auf die Schäl Sick gekommen war. Dabei waren Zoë Beck, Gisa Klönne, Judith Merchant Fenster und Heidi Schumacher. Moderiert wurde der Abend von Angela Spizig, die gleich zu Beginn versuchte, Gemeinsamkeiten der Autorinnen hervorzuheben. Sie betonte, die „Ladies-Crime-Night XXL“ wäre keine Anspielung auf die Figur der Autorinnen, sondern auf ihr qualitatives Format. Genau darüber lässt sich streiten. Das Offensichtliche übersah sie jedenfalls. Drei von vier Frauen hatten deutlich rot gefärbte Haare – vier wenn die Moderatorin mitzählt.

Die Reihenfolge im Programm war nicht die Reihenfolge, in der die Autorinnen vorlesen sollten. Platziert worden waren sie nach Nähe ihres Wohnortes in Bezug zu Köln. Die Besprechung im folgenden orientiert sich dagegen nach der, wie immer subjektive empfundenen, Qualität der Texte.

Judith Merchant (die als Dritte an der Reihe war) las zwei Passagen aus ihrem zweiten Buch „Loreley singt nicht mehr“ vor. Bei Anfang mit Vater Rhein, schlug ich innerlich nur die Hände über den Kopf zusammen:

Niemand außer ihm war wach, so dachte er zumindest. Er selbst schlief niemals. Ruhelos wälzte er sich in seinem schlammigen Bett, über sich die Sterne die ihm keinen Blick mehr wert schienen nach so vielen Jahren.

Prologe an sich halte ich schon für überflüssig und dann noch so einer, da vergeht mir zumindest schon die Lust, weiterzulesen. Ohne Lesung hätte ich daher das Buch niemals gekauft. Die zweite Stelle, welche vorgelesen wurde wog für mich den Prolog mehr als auf. Die Figuren war so dicht beschrieben, dass man die verwahrloste Mutter vor Augen hatte. Den kalten Kaffee, der dem Kriminalkommissar serviert wurde, schmeckte man selber auf der Zunge.

Die von Zoë Beck vorgetragene Passage schaffte es nicht, atmosphärisch so dicht zu sein. Qualitativ würde ich daher „Das zerbrochene Fenster“ auf den zweiten Platz stellen. Überhaupt halte ich Zoë Beck für überbewertet. Der Ruhm scheint der Frau auch nicht wirklich zu bekommen, was sich in sichtbaren Starallüren zeigte. Der gelangweilte Blick bei der Lesung der anderen Frauen wurde noch vom säubern ihrer Fingernägel übertroffen. So was macht man nicht, insbesondere nicht auf der Bühne. Möglicherweise handelte es sich eher um eine unbewusste Geste, hinterließ aber bei mir dennoch keinen guten Eindruck. Entgegen dem Postulat, den Leser nicht mit Faktenwissen zu erschlagen, las sie eine Szene vor, in der es um die Beschaffenheit von Schneeflocken ging. Nett gemacht, ohne erschlagend zu wirken. Das muss man erstmal schaffen. Allerdings fehlt mir da die Originalität, denn eine Beschreibung von Schnee in dieser Form gab es bereits in „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“ von Peter Høeg. Bei nicht wenigen Lesern dürfte die Handlungsweise der Figur auch Wiederstände erzeugen. Man ahnt bereits, dass sich im Raum ein toter Mensch befindet, während der Protagonist alles macht, um selber später für den Mörder gehalten zu werden. Sprachlich zumindest hat Beck ihren Text im Griff.

Mit „Nichts als Erlösung“ startete Gisa Klönne den Abend, was mit dem einem der Haupthandlungsorte begründet wurde. In ihrem Krimi dreht es sich auch um einen Mord, der in der Kölner Altstadt passiert. Die Traumsequenz der Kommissarin, die als erste vorgelesen wurde, empfand ich als eher ermüdend. Es scheint aber derzeit angesagt zu sein, mit solchen Passagen zu arbeiten, denn auch das war eine der Gemeinsamkeiten der Autorinnen. Der Tote in der Altstadt gab nicht nur der Polizistin Rätsel auf, sondern auch dem Publikum. Auch wenn man sich stolz Kommissarin ehrenhalber nennen darf, verhindert das bei Klönne keine groben Patzer. Über die Hohenzollernbrücke fahren keine Güterzüge. Den Schuss aus einer Pistole mit einem Feuerwerk zu übertönen, ist auch eher platt. Das die Todeszeit so schnell eingegrenzt war, fällt dagegen eher nicht auf. Die Beschreibungen von Licht und Schatten werden vermutlich beim eigenen lesen noch ein paar Wiedersprüche offenbaren – ob ich mir das Buch aber antun werde, weiß ich noch nicht.

Mit ziemlicher Sicherheit erspare ich mir „Canale Mortale“ von Heidi Schumacher. Für mich war das der Tiefpunkt des Abends. Nach dem Schumacher als Zweite vorgelesen hatte, hoffte ich, es könne ab jetzt nur noch besser werden. Es tut mir wirklich leid, aber in der Form halte ich den Krimi für nicht tragbar. Wenn man nicht gut vorlesen kann, verstehe ich das. Auch ich habe noch immer meine Schwierigkeiten damit. Allerdings weiß ich auch, wann ich besonders schlecht vorlese. Genau dann nämlich, wenn mein Text sprachliche Unzulänglichkeiten aufweist. Die gab es bei Schumacher ebenfalls. Die Textqualität führte bei mir zu der Frage, warum so etwas nicht gründlich überarbeitet wird. Die Handlung selber, zumindest bei dem, was vorgelesen wurde, ist mehr als dürftig. Eine unsinnige Traumsequenz und eine vermeintliche Verfolgungsjagd, die alles andere als spannend war. Wenn man wie Frau Schumacher Venedig so liebt und über Jahre dorthin in den Urlaub fährt ist es verdammt schade, wenn es einem nicht auch nur ansatzweise gelingt, die Stimmung einzufangen. Jeder Reiseführer lässt bessere Bilder vor den Augen des Lesers entstehen. Den Zuhörer einfach nur Namen von Straßen und Plätzen um die Ohren zu hauen, führt zu nichts. Mit der Meinung, so haben Gespräch mit anderen Gäste nach der Lesung gezeigt, war ich nicht alleine.

Letztendlich wurde es nur ein Buch, welches käuflich erworben wurde. Ob „Loreley singt nicht mehr“ auch das hält, was es verspricht, werde ich dann in Kürze erfahren. Es liegt derzeit oben auf meinem Lesestapel.

Ein Hinweis noch für Frau Spizig. Wenn man eine Moderation vorbereitet und Fragen zum Stand des Kriminalromans in Deutschland stellt, sollte man nicht die Behauptung aufstellen, die Zeit des Nationalsozialismus wäre Schuld an dem späten Erfolg des Krimis in Deutschland. Eine gute Einführung in das Thema Krimiliteratur findet sich unter anderem in „Der Kriminalroman“ von Peter Nusser. Das Buch sollte man zumindest nicht nur kennen, sondern auch gelesen haben. Diktaturen verhindern weder die Entstehung von, noch das Bedürfnis des Lesers nach Krimis. Andernfalls hätte es in der ehemaligen DDR ebenfalls keine Krimis gegeben.

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