Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Es gibt Momente im Leben, da setzt man alles auf eine Karte. Oder man bezahlt mit nur noch einer Karte. Aber fangen wir ruhig von vorne an.

DER CHEF und ich leben nicht nur schon lange zusammen, sondern wir bezahlen auch alles gemeinsam. Dennoch hat jeder von uns ein eigenes Konto. Anstehende Kosten werden vom Haushaltsvorstand (DER CHEF) gleichmäßig aufgeteilt, ich bin mit dem Taschengeld, welches ich erhalte, zufrieden. Gut, Letzteres ist übertrieben. Jeder ist frei in seinen Entscheidungen, größere Anschaffungen werden dennoch gemeinsam besprochen. Das ist jetzt allerdings zu weit zurück gespult und hat schon fast Prolog-Charakter.

Springen wir daher direkt zum eigentlichen Geschehen. Wenn ich den Eindruck habe das eine Stelle ohne weitere Erklärung unverständlich sein würde, kann ich immer noch nachschieben. Am vergangenen Montag hat sich Nadine mit einer Kollegin in Bonn getroffen (Schulferien ungleich Urlaub, man vergisst das immer so leicht bei Lehrern). Für den Hin- und Rückweg hat sie die bahn als Verkehrsmittel gewählt – für das Fahrrad ist die Strecke auch etwas zu weit und das wir kein Auto haben, muss ich nicht noch extra erwähnen. Für den Rückweg zog sie sich dann am Bahnhof Bonn eine Fahrkarte am Automaten (und bevor jetzt die Frage aufkommt: nein, auf dem Hinweg ist sie nicht schwarz gefahren).

Bei den Automaten der Bahn gibt es einen Unterschied zu den Geldautomaten der Banken. Nicht nur den offensichtlichen, dass aus den einen Geld heraus kommt während man bei den anderen Geld hineinwirft, sondern auch ein technisches Detail, welches Folgen haben kann. Bei den Banken wird die EC-Karte zuerst ausgegeben, dann das Geld. Bei der Bahn ist es genau umgekehrt. Die Banken haben sich bei der Vorgehensweise ihrer Automaten etwas gedacht. Wer das Geld in der Hand hat, vergisst schon mal schnell seine Karte.

Unglücklicherweise passiert so etwas auch bei Fahrkarten. Man erhält den Fahrschein, hört vielleicht schon die Ansage, dass der Zug einfährt und macht sich auf den Weg zum Bahnsteig. Zurück bleibt, man ahnt es schon beim lesen, die EC-Karte. Das Nadine genau das am Montag passierte, stellten wir jedoch erst drei Tage später fest. Es folgte ein Anruf beim Fundbüro der Bahn, was höflich formuliert ein teures Vergnügen ist. Ganze 49 Cent die Minute verdient man mit dem Unglück anderer Leute. Gefunden worden war nichts. Es folgte dann die Sperrung der Karte und die Überprüfung, ob jemand in der Zwischenzeit mit ihr Unfug getrieben hatte. Zum Glück war dem nicht so. Neue Karte beantragt, Fall erledigt. Nicht ganz, denn an dieser Stelle kommen wir doch noch mal auf den Anfang zurück. Ohne EC-Karte kann Nadine nichts machen. Nicht einkaufen, kein Geld abheben und dank E-TAN auch keine Überweisung mehr tätigen. Oder um es anders auszudrücken: sie lässt sich derzeit von mir aushalten. Alles geht von meiner Karte ab. Das gibt noch mal Anlass, über ein gemeinsames Konto nachzudenken. Was uns nach wie vor davon abhält, ist die Bedeutung, die ein eigenes Konto hat. Nicht nur bei Erwachsenen macht es ein Stück weit Selbstständigkeit und Selbstbewusstsein aus. Anders ausgedrückt gehört ein Konto zur eigenen Identität. Wer es nicht glaubt, sollte mal mit Menschen sprechen, denen ein Konto verweigert wurde.

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