Mittlerweile weiss ich wieder, welche Bezeichnung mir gestern einfach nicht einfallen wollte: Infodump Vielen der in der Anthologie vertretenen Autorinnen und Autoren ist nicht bewusst, wie sie damit ihre Geschichte ruinieren.
Im Montségur Autorenforum findet sich in einem Interview mit Rebecca Gablé sich ein passendes Zitat dazu:
Ein solcher „Infodump“ ist die sicherste Methode, einen historischen Roman schon vor dem Stapellauf zu versenken, denn nichts nervt Lektoren und Lesepublikum so sehr wie das Gefühl, belehrt zu werden.
Gleiches gilt auch für Krimis, insbesondere aber für Kurzkirmis, die besonders durch die Überfrachtung leiden.
Nicht von einer Sucht, sondern eher von einer Sehnsucht nach einem guten Kurzkrimi würde ich mittlerweile bei mir sprechen. Diese konnte Gunter Gerlach mit seiner Geschichte „Süchtig nach Sprengstoff“ leider nicht befriedigen. Ähnlich wie bei „Ausgerechnet hier“ wurde hier ein Plot an den Haaren herbeigezogen. Man fragt sich dabei, ob so was nicht strafbar ist.
Ich halte an und gebe dem Frettchen einen Krimi. Frett verzieht sich mit dem Buch auf den Rücksitz.
Ein Krimi lesendes Frettchen, welches Sprengstoff aufspürt. Kunstwerke, die in die Luft gesprengt werden von einer Aktionskünstlerin. So was kann einem schon mal die weitere Lektüre verleiden.
Entsprechen skeptisch war ich daher angesichts des Titels „In Hülle und Gülle“, den der Krimi von Frank Schmitter träg. Die Geschichte ist aber deutlich besser als ihr Titel. Ein Mörder, der in Rage sein Opfer tötet. Der sich rächt für die Demütigung, die seinem Vater zugefügt wurde, schließlich erkennt, wie tief er selber fällt. Schmitter gelingt es, ein glaubwürdiges Motiv zu entwickeln.
Das monotone Geräusch der vorbeifahrenden Autos wurde plötzlich von einer Polizeisirene unterbrochen. Sie kam näher und näher.
Am Anfang holpert die Erzählung aus der Ich-Perspektive noch, nimmt dann aber an Geschwindigkeit auf. Der Schluss, wenn die Figur endlich zur Erkenntnis gelang, ist gut gelungen – bis auf das verunglückte „plötzlich“.
Genau das kann man vom gesamten Krimi sagen, den Kurt Lehmkuhl mit „Karambolage“ präsentiert. Er schafft es mit seinem Text auch, den Beweis zu erbringen, in welcher Form mehrere Figurenperspektiven gelungen in kurzer Form verwendet werden können. Sein Red Herring ist von hervorragender Frische. Zu Recht darf man staunen, wie gelungen die einzelnen Elemente der Geschichte ineinandergreifen.
Seine berufliche Arbeit litt jedoch nicht unter seinen Abenteuern mit Christiane. Er lieferte weiterhin seriöse und fundierte Artikel ab.
Für mich ist „Karambolage“ ein weiteres Highlight der Anthologie. Ein Stück weit vielleicht so gar Grund genug, sich das Buch zu kaufen – und mit Billard muss man sich wirklich nicht auskennen, um den Krimi von Lehmkuhl genießen zu können.
Kein Genuss ist leider „Henkersmahlzeiten“ von Angela Eßer. Der Text stößt einem allein schon auf Grund seiner Machart auf. Der Krimi ist weder originell noch unterhaltsam, sondern schöpft aus einem alten Brunnen brackiges Klischeewasser. Mafiosi, die den Niederrhein unter sich aufgeteilt haben. Eine im Sterben liegende Mama, die sich noch einmal Sauerbraten wünscht. Und eine Reise durch die Provinz auf der Suche nach Absolution.
Lachte und verschluckte sich an einer Rosine. Sprang vom Stuhl auf, hustete sich die Seele aus dem Leib und schnappte krampfhaft nach Luft.
Angela Eßer gibt zwar mörderische Kochseminare, kennt aber nicht den Unterschied bei der Zubereitung von Sauerbraten (ein Gericht, welches ich schon als Kind gerne gegessen habe). Es gibt den rheinischen Sauerbraten, der unter anderem in Köln immer mit Rosinen zubereitet wird. Und es gibt den Sauerbraten, so wie er in weiten Teilen am Niederrhein gemacht wird. Dieser enthält keine Rosinen.
Wenn ich mir nur die Rosinen aus „Leichenblass am Niederrhein“ raus picken würde, reichten diese nicht für einen rheinischen Sauerbraten. Daher bin ich froh, dass ich grundsätzlich nur Sauerbraten ohne Rosinen mag. Für Vegetarier ist die Anthologie nur bedingt geeignet, da sie zu wenig Nährstoffe enthält. Echte Krimi-Fans greifen lieber zu den einzelnen Autoren und einem vollständigen Krimi.