Im Vergleich zu den bisher besprochenen Bücher zieht sich meine Rezension von „Leichenblass am Niederrhein“ ziemlich in die Länge. Selbst bei Anthologien wie „Köln blutrot“ habe ich in der Regel nur zwei Artikel benötigt.
Möglicherweise bin ich ein ganzes Stück kritischer geworden, was dann ein Ergebnis der eigenen Schreiberfahrung ist. An der letzten Kurzgeschichte sitze ich bereits über zwei Monate. Das Schreiben ging ganz schnell, aber ich lege Wert auf eine ordentliche Überarbeitung. Meiner Meinung nach muss gerade bei einer Kurzgeschichte jeder Satz, jedes Wort sitzen. Es bereitet mir Freude zu verfolgen, wie mit jeder weiteren Überarbeitung der Text weiter reift. Natürlich gibt es auch einen Punkt, an dem es besser ist, wenn man aufhört. Zum Teil auch deshalb, weil man zu viel verändert und das Gesamtgefüge der Geschichte auseinander bricht.
Ich schweife ab. Aus gutem Grund, denn ich drücke mich gerade um die Besprechung der weiteren Texte in „Leichenblass am Niederrhein“. Die bisherige Hoffnung, es würde noch besser, habe ich derzeit nicht. Nur schleppend komme ich mit dem Buch voran, nach fast jeder Geschichte brauche ich eine Pause, um mich etwas abzureagieren. Das ganze ist ziemlich kriminell. Und damit sind wir dann quasi per Holzhammer übergeleitet beim Krimi von Michael Rossié, der sich „Dat is doch kriminell“ nennt. In Süchteln wird eine Bronzeskulptur entwendet, der Erzähler, Reporter bei einer Lokalzeitung, macht sich auf den Weg, um darüber zu berichten. Nach und nach wird klärt sich für ihn das Verbrechen auf – ein abgekartetes Spiel der Einwohner, um den Tourismus anzukurbeln. Am Ende ist niemand zu Schaden gekommen – bis auf den Leser, der um eine gute Geschichte betrogen wurde.
Gleiches gilt für „Wer vorwärts läuft, kommt nicht ans Ziel: Ein Gaunerkrimi in zwei Stimmen“ von Marita und Jürgen Alberts, die eine Europameisterschaft in Rückwärtsgehen ins Zentrum ihrer Erzählung rücken. An den Haaren herbeigezogen. Einzig der Charme der Reporterstimme
Hier ist der Westdeutsche Rundfunk mit allen angeschlossenen Sendern live aus der Gemeinde Niederkrüchten, zwanzig Kilometer westlich von Mönchengladbach.
verleitet zum weiterlesen. Wie bei dem vorhergehenden Text gibt es auch hier keine Leiche, keinen Mord. Der Fairness halber muss man diesbezüglich auf den Titel verweisen, denn dort wurde von einem Gaunerkrimi gesprochen.
Die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen – „Wir haben Ihre Tochter“ von Horst Eckert ist ein Fall für das Töpfchen. Man ist von Anfang an bei den Figuren, stellt sich auch nicht die Frage, wie realitätsnah das Erzählte ist. Eckert setzt in seiner Geschichte stark auf Dialoge, bereits schon zu Beginn seines Textes.
„Die Türken werden mich fertigmachen“, sagte Jonas und hob den Zeigefinger seiner Rechten, den der Arzt in der Notaufnahme geschient und verbunden hatte.
Dadurch bekommt der Krimi Geschwindigkeit und Abwechslung gleichermaßen. Jeder Wendung folgt man gerne, bis zum Schluss. Der Text endet genau so, wie er enden muss. Selbst in stilistischer Hinsicht ist der Krimi ein Vergnügen. Wie gesagt, sind die Dialoge eine Stärke des Textes. Wer wissen will, wie Dialoge zur Spannung einer Handlung beitragen können, der findet in „Wir haben Ihre Tochter“ ein gutes Beispiel (und damit einen wirklich guten Grund, das Buch zu kaufen).
Je mehr deutsche Krimis man liest, desto mehr Autoren lernt man auch kennen. Eine Binsenweisheit, ich weiss. Zumindest aber auch der Versuch zu erklären, warum mir Lucie Flebbe, Autorin der Geschichte „Auf NetteArt“ bekannt ist. Von ihr habe ich bereits „Fliege machen“ gelesen und besprochen. Damals war mein Eindruck, dass die Bezeichnung „Krimiwunder“ doch deutlich zu hoch gegriffen ist. Mit der Geschichte rund um einen Zollbeamten, seine thailändische Katalogfrau und einen Kugelfisch kann man auch keinen Blumentopf gewinnen. Nicht die nette Art es auszudrücken, ich weiss. Der Text trieft vor lauter Klischees, die Flebbe anscheinend mit Wonne verwendet. Dabei böte Nettetal allein schon auf Grund seiner Seen genügend Möglichkeiten für einen richtigen Krimi.
Nach dem Text ist vor dem Text beziehungsweise „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“ wie der Krimi von Richard Birkefeld heisst. Ein Fuballthema. Mit Fußball habe ich es persönlich nicht so. Mit einem gewissen Vorbehalt habe ich daher die Geschichte gelesen. Grundidee und Setting haben Charme, ein Teil der Figuren wird auch plastisch genug beschrieben. Es fällt aber auf, dass dafür die andere Hälfte reine Staffage ist.
Der Auslöser der blutigen Geschichte bin aber ich gewesen, und die Scham über mein Verhalten hat mich lange schweigen lassen.
Beim erneuten lesen des Krimis (am Rande erwähnt: ich erspare mir das bei keiner der besprochenen Geschichten) stolperte ich über das oben stehende Zitat. Hört sich nicht schlecht an, entspricht aber nicht dem, was Birkefeld im weiteren Verlauf konstruiert hat. Dieser logische Bruch stört genauso wie der letzte Satz der Geschichte, der zumindest in meiner E-Book-Fassung ungünstig umgebrochen war, wofür allerdings Birkefeld nichts kann. Dafür gehen aber die durcheinander rutschenden Zeitebenen auf sein Konto. Mit ein bis zwei weiteren Überarbeitungen wäre aus dem Krimi sicher ein besserer Text geworden.
Sieben Geschichten liegen noch vor mir. Bei der von Edgar Franzmann bin ich mir noch nicht sicher, ob ich sie besprechen soll – aus Gründen, wie es so schön heisst.
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