Schon seit längerem wartet die Sammlung mit Krimi-Kurzgeschichten „Leichenblass am Niederrhein“ darauf, gelesen zu werden. Gekauft habe ich mir diese vor längere Zeit von einem Gutschein als E-Book. Jetzt, wo die letzten beiden noch nicht in Kartons verpackten Bücher verschlungen sind (mit leichten Magenstörungen), ist der ideale Zeitpunkt, sich dem digitalen Lesevergnügen hinzugeben.
Soweit die Theorie. In der Praxis hängt das Lesevergnügen von den Geschichten ab, die man vorfindet. Die ersten vier Krimis hinterlassen einen gemischten Eindruck. Einer von ihnen gehört mit Abstand zu den schlechtesten Texten, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Aber der Reihe nach.
Den Anfang macht Stefan Slupetzky mit „BOM“, in der der Sohn eines Krefelder Krawattenfabrikanten vorzeigt erbt und dank kräftiger Unterstützung von „BOM“ das eigene Geschäft ankurbeln lässt. Besonders originell ist die Geschichte nicht, hinterließ in jeder Hinsicht bei mir ein Gefühl von „na ja, kann nur noch besser werden“ – was man morgens, unterwegs ins Büro halt so für naive Gedanken hat. Mit einem historisch angehauchten Krimi ging es weiter.
In „Eugenias Knöchelchen“ von Rebecca Gablé geht es um einen verstorbenen Vater und seine Tochter, die vom Bruder nicht nur um ihre Mitgift betrogen wurde, sondern auch ins Kloster abgeschoben werden soll. Durch die Aufklärung eines Mordes gelingt ihr es, den Plan des Bruders zu durchkreuzen. Die Geschichte krankt zwar an einigen „technischen“ Details, welche aber nicht weiter ins Gewicht fallen. Man fühlt sich unterhalten, mehr jedoch nicht.
Mit „Ausgerechnet hier“ schafft es Jochen Senf, bei mir grundsätzliche Zweifel am Genre aufkommen zu lassen. Wenn das ein Krimi ist – Leute, ich weiss auch nicht. Der Text um Menschen, die in ferner Zukunft frei jeglicher Körperlichkeit als Gaswesen existieren, ist nicht mal eine mittelklassige Science-Fiction Geschichte.
Distanzventile brauchte man zur Individualisierung unseres gasförmigen Zustandes. Bei Reisen waren wir eine einzige Gaswolke. Es war billiger und effektiver, unitär zu reisen. Dann ging auch niemand unterwegs verloren. Was bei neugeborenen Gasolitanern leider immer wieder passierte.
Meiner Meinung nach ist „Ausgerechnet hier“ nicht nur anspruchs- sondern auch niveaulos. Das der grafit Verlag so eine Geschichte abdruckt, ist für mich nicht nachvollziehbar. Auch die beiden Herausgeber Angela Eßer und Arnold Küster hätten so einen Text zurückweisen müssen. Was immer Jochen Senf sonst schreibt, ich hoffe, es ist besser als sein Text in „Leichenblass am Niederrhein“.
Bereits zu Beginn punktet „Wenn die Krähen fliegen, ist es ein guter Tag“, von Bernhard Jaumann. Wie Menschen reagieren, wenn sie ihre Tochter verlieren, beschreibt er so:
Gregor Tauber krallte die Finger um den Rand des Waschbeckens, bog den Oberkörper nach hinten und schlug seinen Kopf mit aller Gewalt gegen den Spiegel. Er hörte noch das Glas splittern, dann war da nichts mehr.
Der erste richtige Krimi im Buch. Vom Erzählstil her gut gut, die Figuren detailreich und vorstellbar. Besonders das überraschende Ende zeigt, dass Jaumann das Handwerk versteht. Hoffentlich sind in der Anthologie noch mehr solcher Geschichten.
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