Berichte über die Ausbeutung bei Paketdiensten, die Arbeitsbedingungen von Online-Buchhändlern und ähnliches lesen wir in der Zeitung, sehen Berichte darüber im Fernsehen. Nur in wenigen Fällen kennen wir jemanden, der selber betroffen ist. Schon eine ganze Zeit lang war das bei mir anders.
Im Umfeld meiner Familie kenne ich jemanden, der bei einem großen, bundesweit agierenden Elektronikmarkt gearbeitet hat. Gearbeitet hat deshalb, weil ihm gestern mit sofortiger Wirkung gekündigt wurde. Das besonders perfide daran ist die Art und Weise, wie das geschehen ist und in welcher Form. Letztendlich hat der betreffende keine Kündigung erhalten, sondern einen Aufhebungsvertrag unterschrieben, in dem steht, dass er über kurz oder lang aus betrieblichen Gründen die Kündigung erhalten hätte. Eine Formulierung einzig und allein gedacht für die Agentur für Arbeit, vermute ich.
Aber ich greife vor, vielleicht auch, weil ich immer noch aufgebracht und wütend bin. Der Vorfall hat eigentlich eine lange Vorgeschichte. Nach einem guten Start an einem neuen Firmenstandort wechselte die Geschäftsführung und die Sitten veränderten sich in Übereinstimmung mit der inoffiziellen Unternehmenslinie. Man braucht nicht zu verschweigen, dass es an den meisten Standorten des Elektronikmarktes keinen Betriebsrat gibt. Druck, Überstunden und Mobbing waren und sind, zumindest in dem Geschäft, wo die betreffende Person bis gestern gearbeitet hat, an der Tagesordnung. Beliebt bei der Geschäftsführung sind diejenigen Mitarbeiter, die den Kunden teuere Zusatzversicherungen, genannt Garantieverlängerung, verkaufen. Oder Retourenware als neu Ware an die Kunden herausgeben.
Der Umsatz stagniert deutschlandweit, trotz aggressiver Werbung und Preisködern. Zu spüren bekommen das insbesondere die Mitarbeiter, von denen Unmögliches verlangt wird. Wer es wagt, den Mund aufzumachen oder auf andere Weise als unbequem auffällt, wird, so kann man es nicht anders zum Ausdruck bringen, zu Kündigung genötigt. Meistens kurz vor Feierabend wird die betreffende Person dann ins Büro gebeten, wo sie dann vom Vorgesetzten und der Geschäftsführung in die Mangel genommen wird, bis sie bereit ist, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben. Das ist kein Einzelfall, sondern hat System. Die mir bekannte Person ist nicht nur Opfer, sondern auch Zeuge bei mehreren solchen „Kündigungen“ in den letzten Monaten gewesen.
Als Einzelner hat man nur die Möglichkeit, nicht mehr dort einzukaufen und den Betroffenen so gut es geht beizustehen.
6 Kommentare
Das Problem bei Aufhebungsverträgen ist immer, dass das Arbeitsamt hier im schlimmsten Fall eine Speere von drei Monaten verhängen kann. Ich hoffe, dass passiert bei deinem Bekannten nicht, aber vielleicht hätte man sich dann doch lieber kündigen lassen sollen.
Aufhebungsvertrag bedeutet immer im beiderseitigem Einvernehmen und damit drei Monate Sperre durch das Amt, wie oben bereits geschrieben. Die Kündigung wäre für ihn die bessere Wahl gewesen. Vor dem Amt steht die Firma auch noch gut da.
Ich kauf da sowieso nicht, also brauche ich das in Zukunft auch nicht ändern.
Ich drück die Däumchen das sich schnell einen neue bessere Stelle findet – wie heist es so schön: „wer weiß wofür es gut ist.“
Trotzdem, die feine Art ist das nicht, kann Deinen Ärger verstehen.
Einen schönen Feiertag und beste Grüße Astrid
@Seven, @ Oliver: In Bezug auf den Aufhebungsvertrag denke ich auch so. Aber derjenige ist sehr zuversichtlich, was das Thema angeht.
@Astrid: Daumen drücken wird weitergeleitet :-)
Generell sollte jeder, dem ein Aufhebungsvertrag hingeknallt wird, einen Anwalt konsultieren und mit ihm das weitere Vorgehen besprechen.
Was ich an solchen Geschichten so bemerkenswert finde, ist, dass in Deutschland von gewisser Seite immer so getan wird, als sei unser Kündigungsschutz ein Beschäftigungshindernis. Ein Arbeitgeber, der einen Mitarbeiter los werden will, findet schon einen Weg. Und diese Wege sind auch nicht immer so teuer, wie gern behauptet wird.