Thilo Sarrazin hat es wieder getan, ein Buch zu schreiben. An sich nichts verwerfliches. Wer das letzte von ihm noch in Erinnerung hat und ähnliches erneut erwartet, wird nicht enttäuscht werden.
Auch wenn das Buch noch nicht erhältlich ist, so kann man sich ein Urteil über dessen Inhalt bilden. Möglich ist dies durch den Auftritt von Sarrazin in der Talkshow von Günther Jauch in der ARD, die sich auch abrufbereit in der Mediathek befindet. Im Vorfeld der Sendung gab es viel Kritik, da Bürgerinnen und Bürger als auch Vertreter unterschiedlicher Parteien der Meinung sind, man dürfe so einem wie Sarrazin keine Plattform zur Verbreitung seiner Thesen bieten. Peer Steinbrück, der sich auf eine Diskussion mit Sarrazin einließ, sah das anders. Seiner Meinung kann man sich durchaus anschließen, denn Sarrazin entzaubert sich selber. Wer wie das Saalpublikum im Gasometer über einen einigermaßen gesunden Verstand verfügt, erkennt in Sarrazin jemanden, der ausschließlich provozieren will. Der nicht in der Lage ist, einen fehlerfreien, verständlichen Satz zustande zu bekommen. Entsprechend gab es vom Publikum keinen Applaus für Sarrazin, dafür aber für den sich redlich bemühenden Steinbrück und Jauch.
[…] getrieben von jenem sehr deutschen Relfex, wonach die Buße für Holocaust und Weltkrieg erst endgültig getan ist, wenn wir alle unsere Belange, auch unser Geld, in europäische Hände gelegt haben.
Quelle: „Europa braucht den Euro nicht“, S. 203
Zu den „Highlights“ seines Buches gehört nicht nur das unsägliche Holocaust Zitat, sondern auch der Vergleich von Angela Merkel mit Erich Honecker und die Unterscheidung in einen „romanischen“ und „germanischen“ Finanzstil. Sarrazin flüchtete sich immer wieder in seine Zahlen, ohne auf die Einwände von Steinbrück einzugehen. Als Beispiel für Euro-Länder, die auch ohne den Euro zurecht kommen, führte er England und die Schweiz an. An dieser Stelle fällt auf, wie wenig sich Sarrazin wirklich auskennt.
Die Schweiz gehört nicht zur europäischen Union und mit Englands Wirtschaft steht es auch nicht zum Besten, ganz im Gegenteil zu dem, was Sarrazin behauptet. Daneben gibt es noch einige Betriebe und Unternehmer in der Schweiz, die es zutiefst bedauern, dass ihr Land nicht den Euro als Währung hat. So findet man im diesen Zusammenhang auch oft die Klagen der Käseproduzenten, deren Produkte auf Grund des Wechselkurses das Nachsehen haben.
An der gesamten Sendung fiel der hohe Redeanteil von Sarrazin unangenehm auf. Sarrazin hatte mehr Zeit für seine Aussagen als Jauch und Steinbruck zusammen geredet hatten. Das war auch einer der Hauptschwachpunkte der Sendung. Wenn man so jemanden wie Sarrazin öffentlich reden lässt, muss man auch dazwischen gehen. Weder Steinbrück noch Jauch ist das gelungen – hier hätte es sicherlich eines energischeren Moderators bedurft.
Das Steinbrück mehrmals davor war, vor Wut zu platzen, er aber Profi genug ist, es nicht zu tun, war ihm anzusehen. Auch wenn Steinbrück zu Beginn der Sendung klar machte, dass er Sarrazin nicht wie unter Parteigenossen üblich (Sarrazin ist immer noch in der SPD) duzen wird, hat er ihm dennoch am Schluss der Sendung die Hand gegeben. Es sind die kleinen Gesten, die Größe deutlich machen.
Gut beobachtet hat die Sendung auch DERWESTEN.