Nach den Positionen von CDU, FDP und der Linkspartei gestern zum Thema Netzpolitik folgen heute die Aussagen von SPD und Grünen. Bedingt durch den Umfang, gibt es entgegen der Planung noch einen dritten Teil, welcher die Positionen der Piraten aufgreift.
SPD
Bei der SPD liegt der Schwerpunkt vornehmlich (aber nicht nur) auf der Bürgerbeteiligung. Wichtige Themenfelder sind bei den Sozialdemokraten Open Data und Open Government. Netzsperren werden abgelehnt – statt dessen sollen problematische Inhalte gelöscht werden. Eltern sollen mit freiwilligen technischen Maßnahmen mehr Sicherheit erhalten – in welcher Form das geschehen soll, wird nicht weiter ausgeführt. Auch fehlt, was genau unter den freiwilligen Maßnahmen zu verstehen ist und wogegen diese Maßnahmen vorbeugen sollen.
Die SPD setzt sich für eine „diskriminierungsfreie Datenübertragung“ ein. Ein Begriffe, zu dem die „Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft Projektgruppe Netzneutralität“ im Bundestag schreibt:
Ganz allgemein bedeutet Diskriminierung eine Ungleichbehandlung ohne rechtfertigenden sachlichen Grund.
Mit anderen Worten: sofern ein sachlicher Grund vorliegt, können Ausnahmen für eine Ungleichbehandlung gemacht werden.
Merkwürdig ist, dass im Wahlprogramm der SPD im gleichen Satz von der Netzneutralität die Rede ist:
Wir stehen zur diskriminierungsfreien Datenübertragung für einen freien und gleichen Zugang zum Internet sowie für eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität.
Hier besteht Klärungsbedarf, was die Wählerinnen und Wähler in diesem Punkt exakt von der SPD zu erwarten haben. Das Internet ist für die SPD vornehmlich ein Kommunikationsmedium. Deutlich wird das in den Aussagen zum Thema Urheberrecht. Die SPD befürwortet zwar ein modernes Urheberrecht und will eine Balance schaffen zwischen Nutzern und Urhebern. Dabei fehlt aber die Erkenntnis, dass im Internet Nutzer auch gleichzeitig Urheber sein können. Das Thema ist wesentlich komplexer und lässt sich nicht auf eine vereinfachte Aussage reduzieren.
Lobenswert ist die Absicht, das Abmahnwesen einzudämmen. Nicht weit genug geht allerdings der Ansatz, faire und nachvollziehbare Nutzungsbedingungen schaffen zu wollen. So ist zum einen nicht klar, worauf sich das bezieht und zum anderen , in welcher Weise „faire Nutzungsbedingungen“ mit dem später erwähnten Recht auf informationelle Selbstbestimmung und dem Schutz der Informations- und Kommunikationsfreiheit einhergehen. Man wünscht sich an der Stelle eine klare Stellungnahme zur Datensammelwut von Google, facebook und anderen Firmen.
Grüne
Die Grünen legen ihren Fokus ähnlich wie die SPD auch auf Transparenz und Beteiligung, gehen auf die einzelnen Position aber ausführlicher ein. Man merkt ihrem Wahlprogramm deutlich die Auseinandersetzung mit den Aussagen der Piraten an. Es wird versucht, sich sowohl von ihnen abzugrenzen als auch so weit es möglich ist, deren Standpunkte im eigenen Wahlprogramm aufzugreifen.
Von den Grünen gibt es ein klares Bekenntnis zum Datenschutz. Ebenso wird ein offenes und freies Internet vertreten. In diesem Zusammenhang lehnen die Grünen eine „Sperrinfrastruktur“ ab.
Ähnlich wie bei der SPD befürworten die Grünen Open-Data und Open-Government. Der von ihnen proklamierte Paradigmenwechsel dürfte dabei der richtige Weg sein:
Es soll nicht mehr diskutiert werden, welche Daten
warum veröffentlicht werden, sondern vielmehr, warum etwas nicht öffentlich zugänglich gemacht werden sollte.
Im Unterschied zu den Piraten fordern die Grünen auch keine totale Freigabe aller Daten von öffentlichen Stellen und Verwaltung, sondern setzen sich für eine Regelung ein, die Daten schützt, wenn durch ihre Freigabe Persönlichkeitsrechte oder übergeordnete Sicherheitsinteressen verletzt werden. An dieser Stelle merkt man die Regierungserfahrung der Grünen.
Ein weiteres Thema, bei dem sich die Grünen zu einem eigenen Standpunkt in ihrem Wahlprogramm durchgerungen haben, ist der Einsatz von freier und offener Software. Hier stehen die Grünen ein für den „Einsatz offener Standards, Schnittstellen, Formate, Protokolle und freier Lizenzen“.
Deutlich hervorgehoben bei den Grünen ist die Netzneutralität und der Ausbau von Breitbandzugängen zum Internet, gerade auch im ländlichen Raum. Hier werden auch konkrete Zahlen genannt:
Ziel ist, 6 MBit/Sekunde bis 2013 zu garantieren und bis 2020 VDSL flächendeckend in allen Haushalten zu gewährleisten.
Zusätzlich wollen sie sich für freie öffentliche WLAN-Hotspots einsetzen, was aber mehr wie das Aufgreifen einer populistischen Forderung wirkt.
Deutlich interessanter und vor allem wichtiger ist das, was die Grünen zur Erfassung personenbezogener Daten zu sagen haben. Die Aussagen sollte sich jeder Internetnutzer unabhängig vom eigenen (partei-)politischen Standpunkt genau durchlesen:
Personenbezogene Daten werden zunehmend zur Währung im Internet. Vermeintlich kostenlose Angebote wie Soziale Netzwerke oder Suchmaschinen, die europäisches Datenschutzrecht ignorieren, umfangreiche Konsumenten- und Persönlichkeitsprofile bilden und sie vermarkten, kosten den Preis der informationellen Selbstbestimmung.
Hier wird von den Grünen ein Problem erkannt und benannt. Das Thema der informationellen Selbstbestimmung dürfte in naher Zukunft eine noch größerer Rolle spielen als bisher. Bereits jetzt werden Daten in einem Umfang erfasst, der weit über das hinausgeht, was staatliche Stellen sich jemals trauen würden von ihren Bürgerinnen und Bürgern zu speichern. Das gesamte Thema Voratsdatenspeicherung erscheint vor diesem Hintergrund schon fast niedlich. Diese lehnen die Grünen als massiven Eingriff in die Grundrechte ab. Sie sind sich aber durchaus im klaren darüber, wo das wirkliche Problem liegt. Nicht in der staatlichen Datenerfassung, sonder in dem, was private Firmen an Informationen über Benutzerinnen und Benutzer speichern und welche Informationen sich daraus gewinnen lassen, wenn die gespeicherten Informationen eines Dienstes mit dem eines anderen verknüpft werden. Dringend erforderlich ist hier ein parteiübergreifender Konsens.
Als Letztes (was keine Wertung sein soll) folgen morgen die Aussagen der Piraten. Daran knüpft sich dann ein Fazit an.