Selten habe ich einen Krimi gelesen, bei dem der Titel des Buchs so völlig am Thema vorbei ging wie in „Papierkrieg“ von Martin Mucha. Es geht in dem „Kriminalroman“ um eine antike Papyrusrolle – aber Papyrus ist eben kein Papier. Ein ein richtiger Krieg sind die kriminellen Machenschaften in der Geschichte trotz mehrerer Morde auch nicht.
Die Hauptfigur Arno Lindner arbeitet als schlecht bezahlter Sprachwissenschaftler an der Universität Wien. Zufällig wird er in einen Mordfall verwickelt und sorgt dafür, das eine der Hauptverdächtigen aus der Schusslinie kommt. Während man anfangs den Ereignissen noch mühelos folgen kann, werden im weiteren Verlauf die Verwicklungen immer absurder. Dabei zeichnet Mucha die Figur des Arno Linder als modernen Version eines längst überholten Privatdetektivs, der von seinem Zuschnitt auch er einer amerikanischen denn europäischen Vorlage entspricht. Für einen Sprachwissenschaftler ist Linder einfach viel zu taff angelegt, was die Figur über weite Strecken unglaubwürdig erscheinen lässt. Hinzu kommt, dass es für meinen Geschmack zu viele Parallelen zwischen dem Autor und seiner Figur gibt.
Mucha scheitert an seinen Ambitionen. Die permanent auftauchenden Markennamen sind etwas zu viel, dafür ist der angedeutete politische Hintergrund in Österreich zu schwach ausgeprägt. Die unzweifelbare Stärke von „Papierkrieg“ ist der Wiener Charme, den Much gelungen einfängt. Die Kaffeehäuser sieht man nicht nur vor sich, sondern man hat auch den Geruch einer Melange in der Nase. Der Dialekt ist gut eingefangen. Zwar sorgt es mitunter für erhebliche Verständnisschwierigkeiten. Die Wörter und Begriffe erklären sich dann im Kontext selber. Puffen ist zum Beispiel die österreichische Bezeichnung für Pistole.
Wie es um die österreichische Polizei bestellt ist, weiss ich nicht. Ich vermute aber, dass die Beamten dort ähnlich arbeiten wie bei uns in Deutschland. Abgesehen von den kleineren und größeren Pannen wie hierzulande dürfte sich die Polizei in Österreich auch innerhalb der rechtsstaatlichen Grenzen bewegen. Die beiden Polizisten, die Arno Lindner als „Katz und Maus“ bezeichnet, sind daher wohl reine Fiktion des Autors und haben nicht das geringste mit der realen Polizeiarbeit zu tun. Sie sind so überzeichnet und nehmen auch noch mehr oder weniger willkürlich eine Verhaftung vor, dass man als Leser Mucha nur empfehlen kann, besser keine Krimis mehr zu schreiben. Während die Geschichte dank der bereits erwähnten Marken- und Namen im hier und jetzt verortet ist, stammt der Polizeialltag aus einem anderen Jahrhundert.
Die Auflösung des Falls am Ende hinterlässt ein unbefriedigendes Gefühl. Positiv anrechnen kann man Mucha dagegen die Verbindung von Anfang und Ende des Buches, die sozusagen einen Kreis bilden. Die Arbeit, die der Autor in sein Buch gesteckt hat, lässt sich spüren. Und genau das macht es so schmerzlich, keine lobende Rezension schreiben zu können.
Fazit:Auf der Habenseite befindet sich auf jeden Fall die dichte Wiener Atmosphäre und der hervorragend wiedergegebene Dialekt, der gerade die Nebenfiguren plastisch macht. Dafür lohnt es sich den Krimi zu lesen. Die Figur des Arno Lindner dagegen kann man leider nur als völlig misslungen bezeichnen. Das Bild, welches Martin Mucha von der Polizei hat, eignet sich für eine Karikatur, nicht jedoch für einen Krimi.