Über einen Monat liegen die Kölner Krimitage jetzt zurück. Erst gestern Abend habe ich es geschafft, den „Eifelbaron“ von Rudolf Jagusch zu Ende zu lesen. Dabei lag das nicht am Krimi, sonder an den vielen andern Dingen, die ich sonst noch in meiner ach so spärlichen Restfreizeit auf mich nehme.
Aber ich möchte nicht über mein Leben jammern, sonder über den Krimi – schreiben. Handwerklich ist der Eifelbaron solide. Was die Polizeiarbeit angeht, haben sich keine großen Fehler eingeschlichen, die man sonst häufig (vor allem in Lokalkrimis) findet. Jagusch hat sich klugerweise durch echte Polizisten beraten lassen. Positiv fällt einem im Roman auf, dass jede Figur ihre eigen Stimme hat (was besonders gut rüber kommt, wenn man das Vergnügen hat, von Jagusch vorgelesen zu bekommen). Über weite Strecken hat mir der Krimi auch gut gefallen. Die Sprache ist sauber, die Sätze treffend und im Gegensatz zur der Drohung auf der Rückseite des Buches enthält der Krimi nicht zu viel Lokalkolorit.
Nach spätestens zwei Dritteln bildet sich das große „aber“ in meinem Kopf. Ich hoffte, der Fall würde nicht so aufgelöst werden, was dann leider doch genau so passiert. Um das zu erklären, muss ich zwangsläufig etwas vom Ende verraten – wer also den Krimi noch lesen will, sollte hier abbrechen. Der Kauf des Buches lohnt sich allein schon wegen der guten Ansätze.
Das große Problem im Buch sind die Einschübe. Gespräche zwischen zwei Personen, die nicht benannt werden. Der Leser erhält dadurch einen Wissensvorsprung vor den Ermittlern. Darüber gelingt es ohne Mühe, den Mordfall nach den besagten zwei Drittel zu lösen, während Welsch und Fischbach noch im Dunklen tappen. Baron ist nicht tot, sondern ein anderer ist an seiner Stelle gestorben. Üblicherweise legte man als Autor falsche Spuren (Red Herring), um den Leser falsche Fährte zu locken und am Ende dann eine Auflösung präsentieren zu können, auf die der Leser auch hätte kommen können – wenn er denn nicht auf auf Grund von Vorurteilen oder anderen Gründen dem Geruch der Heringe gefolgt währe.
Die letzte These der Ermittler, mit dem sie glauben, den Fall gelöst zu haben, wirkt daher lächerlich und schindet nur Seiten. Da hätte sich Herr Jagusch etwas mehr Mühe geben sollen.
Gelungen finde ich dagegen, wie er in Bezug auf Welscher den Leser an der Nase herumführt. Eine ganze Zeit lang habe ich geglaubt, Alex sei die Freundin von Welsch. Dabei ist es der Freund, denn Alex ist, wie er es ganz am Ende zu Fischbach sagt „schwul“. Rückblickend greift Jagusch aber auf eine Klischees zurück. Welscher mag kein Kaffee, trinkt Wasser und Tee, Limo nur ohne Eiswürfel, legt Wert auf ein gepflegtes Äußeres und wohnt natürlich in Köln. Fischbach dagegen ist eine aufgerollte Eifeltapete. Nur durch seine Harley, seinen Musikgeschmack und durch seine Vergangenheit bekommt er ein paar Ecken und Kanten. Da wirken die Nebenfiguren etwas überzeugender.
Der Krimi hat an sich einen sehr guten Anfang, verliert dann aber nach und nach an Spannung und Tempo, das Ende ist dann vorhersehbar und wirkt aufgesetzt. Da ist leider Potential verspielt worden. Durch das Weglassen der kursiven Einschübe ließe sich mit wenig Aufwand eine Menge verbessern. Um den Ermittlern die Arbeit leichter zu machen, könnte man eine weitere Nebenfigur einführen, die nicht unwichtig ist: der Hausarzt von Baron. Wenn ich mich richtig erinnere, gibt es den nicht. Bei jemanden, der angeblich Krebs hat und auch Medikament verschrieben bekommt, ziemlich unwahrscheinlich. Es gibt zwar einen Arzt in Aachen, mit dem hat Baron aber nur telefoniert. Eine Finte vornehmlich für die Ermittler.
Nehmen wir an, der Hausarzt ist für ein paar Tage auf einem Kongress oder im Urlaub. Eine Möglichkeit, in zu befragen, gibt es nicht. Bei seiner Rückkehr könnte er die Aufklärung des Falls in die richtige Richtung lenken:
„Was ist mit seinem Hausarzt?“, fragte Fischbach in die Runde.
„Der ist auf einem Ärztekongress in Los Angeles“, antwortete ihm Willms. „Soll ich dran belieben und versuchen, ihn zu erreichen?“
„Lass mal“, winkte Fischbach ab, „Wir wissen ja bereits, dass Baron Krebs hatte.“
Fazit: Für mich spielt der Krimi auf meiner Wertungsskala im Mittelfeld. Er ist nicht schlecht, aber eben auch nicht herausragend. Da habe ich schon bessere gelesen – aber auch schlechtere.