Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Rühmann, der Besitzer des Strohhalms, war bekannte für seine direkte Art. Wem die nicht passte, der konnte auch woanders essen. Zumindest sah Rühmann das so. Vorgetragene Einwände über die mangelnden Alternativen in Erfels ließ er nicht gelten.

„Jung, wat kann ich dir den Gutes tun?“

Krönen seufzte auf. Die erste anständige Frage des Tages.

„Einmal das Tagesgericht.“

Im Winter war das so genannte Tagesgericht in der Regel ein deftiger Grünkohleintopf. Die Abwechslung bestand dann in der Fleischeinlage. Knutsen setze sich in eine Ecke am Fenster, um zumindest etwas Licht zu haben. Die schummerige Beleuchtung gehörte auch zum Konzept vom Strohhalm. Wenn man sich nicht so gut sieht, kommt man sich schneller näher. Und vor allem trank man im halbdunklen mehr. Als sehr angenehm empfand es Knutsen, dass im Hintergrund keine Weihnachtsmusik lief. So was hätte ihm gerade noch gefehlt. Außer ihm war nur ein paar andere Gäste, die stark nach Stammkundschaft aussahen, anwesend. Knutsen nickte in diverse Ecken rüber. Ein ältere Mann an der Theke hatte seine Scham noch nicht überwunden und hielt sich mit zittrigen Händen an einer Tasse Kaffee fest. Hoffentlich nicht noch jemand, der seinem Leben ein Ende setzt, ging es Knutsen durch den Kopf. Dann wurde ein dampfender Teller voll mit Grünkohl und Mettenden vor ihm abgesetzt.

„Bier dazu oder biste noch im Dienst?“

„Lass mal, besser nicht.“ Knutsen hielt es für wenig ratsam, in Uniform mit einem Bier vor der Nase gesehen zu werden.

„Wenn du meinst.“ Rühmann verzog sich wieder hinter die Theke.

Hungrig schaufelte Knutsen in sich hinein. Der deftige Eintopf wärmte ihn wie erhofft von innen. Zufrieden strich er sich über den Bauch.

„Beim dem Teller brauch ich wohl nicht zu fragen, ob es dir geschmeckt hat.“ Leise wie eine Katze hatte sich Rühmann hinter Knutsen bewegt, um den leeren Teller abzuräumen.

„Kaffee?“

„Mach mal.“

Wenig Lust verspüren, jetzt wieder zurück in die eigene Wohnung zu gehen, griff sich Knutsen eine der ausliegenden Zeitungen. Der Erfels Kurier berichtet über die Weihnachtsfeier im örtlichen Altenheim und über die Predigt des Pastors. Vom Selbstmord des Herrn G. stand noch nichts im Blatt. Es gab also auch noch gute Nachrichten. Ein kalter Luftzug wehte Knutsen um die Beine. Noch unschlüssig stand eine junge Frau in der Tür.

„Ein lecker Mädchen“, wie Rühmann wohl sagen würde. Knutsen blickte über die Zeitung hinweg zu der Person auf, die für die kalte Luft sorgte. Sein „Tür zu, es zieht“, erstarb ihm unausgesprochen.

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