Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Zum Auftakt mini-lit.cologne gab es gestern Abend eine Lesung von Martin Walser aus seinem neuen Buch „Muttersohn.Vorab sollte ich erwähne, dass ich das Buch nicht gelesen habe – und es wahrscheinlich auch nicht lesen werde.
Das ist keine Wertung des Romans oder des Autors meinerseits, sondern lediglich erstmal eine Feststellung. Romananfänge wie diese

Ewald, ich heiße Percy. Das sagte er, als er die Tür hinter sich zugemacht hatte. Ewald hatte auf sein Klopfen nicht geantwortet. Percy sagte, das verstehe er.

verleiten auch nicht gerade dazu. Walser, so sagt man, schreibe Literatur. Mag sein. Literatur kann anstrengend sein – oder auch langweilig. Sogar beides. Wiederrum möchte ich hier keine Wertung vornehmen. Aber kommen wir zum Abend. Moderiert wurde der Abend von Bettina Böttinger – vor der Frau kann man nur seinen Hut ziehen. Eine gute Wahl. Nach einem Vorgespräch, dass fast schon das Ende des Abends bedeutet hätte, da Walser extrem allergisch auf die Frage, wie stark ihn der Tod seiner Mutter berührt hatte, reagierte, gab es ein gute Stunde Lesung, gefolgt von Plauderrei.
Walser las drei Stellen aus dem Buch vor. Die beste Stelle war die mit dem Auftritt seiner Hauptfigur Percy in einer Talkshow (als Videomitschnitt von einer anderen Lesung auch bei erlesen.tv zu sehen.) Wobei es den Text an der Stelle deutlich aufwerten würde, wenn dort nicht dauernd die Dialoge mit Nennung des Sprechers eingeleitet würden:

Percy: Das hat Mutter Fini so gewollt.
Susi: Hat sie Ihnen gesagt, warum?

Gerade beim hören nervt so was.
Der Rest, den Walser vorlas, hat mich nicht überzeugt. Die Dialoge waren nicht lebendig genug, die Sprache lässt Spannung vermissen. Es plätschert dahin. Einen wirklichen Bezug zum Protagonisten bekommt man nicht. Im Feuilleton mag man das anders sehen. Dort steht jedoch nicht immer der Unterhaltungswert eines Buches im Vordergrund.
Wesentlich interessanter als das Buch selber war für mich das, was Walser als Autor über das Schreiben zu sagen hatte. In einer Aussage war ich ganz bei ihm, da ich ebenfalls davon überzeugt bin, dass sie zutrifft. Man schreibt aus einem Gefühl des Mangels heraus, meint Walser. Wer satt und zufrieden ist, schreibt keine Bücher. Umgekehrt ließe sich das wohl auch fürs lesen sagen.

Weniger einverstanden bin ich damit, dass ein Roman sich allmählich beim Schreiben determiniert. Walsers Art, eine Geschichte zu entwickeln, ist von mehreren Möglichkeiten. Nicht die einzig richtige. Für ihn mag es funktioniere, ohne Plan einfach mit dem Schreiben anzufangen, nicht zu wissen, was am Ende herauskommt. Andere scheitern auf genau diese Weise mit ihren Texten. Mir persönlich ist es wichtig, eine Geschichte von vorne bis hinten zu planen. Am Anfang schon das Ende zu kennen. Dabei ist nie was in Stein gemeißelt. Der Fahrplan hilft jedoch, ans Ziel zu kommen.

So wie Walser das gestern Abend darstellt, scheint er auch jemand zu sein, der seine Romane von den Figuren aus entwickelt. Bei „Muttersohn“ stand am Anfang Percy, dem „Furcht und Ungeduld“ fremd waren. Auch das nächste Buch entwickelt sich aus einer Figur heraus. Ich kennen zu wenig von Walsers Werken, um beurteilen zu können, ob er nicht auch Texte geschrieben hat, wo die Handlung im Vordergrund steht.

Das Walser alles noch von Hand schreibt und seine Frau die Texte abtippen lässt, kann ich nachvollziehen. Nicht weil er bereist 84 Jahre alt ist, sondern weil es manchmal wirklich besser ist, mit der Hand zu schreiben. Bei mir ist es auch so, dass ich momentan eine Phase habe, wo ich im Zug gerne meine Texte handschriftlich erfasse. Ein Stück weit ist das auch Luxus, zeitlicher Luxus, da ich die Texte hinterher selber abschreiben muss. Spätestens bei der Überarbeitung genieße ich dagegen die Möglichkeiten der Schreibsoftware.

Walser. Eines noch, was man gerade in unserer doch sehr schnelllebigen Zeit nicht unerwähnt lassen sollte. Der Schriftsteller ist seit über 60 Jahren mit der selben Frau verheiratet. Das ist mehr als nur bewundernswert.

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