Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Früher, in meiner Grundschulzeit gab es den einen Werbespruch „Die Milch macht’s“, mit denen schon die Kleinen an den Kauf eines übersubventionierten Agrarprodukts gewöhnt werden sollten. Ob das der Spruch wirklich stimmt, ist vermutlich Glaubenssache.

Eindeutig nicht geholfen hat die Milch auf jeden Fall dem Buch „Der Milchkontrolleur“ von Thomas B. Morgenstern. Von zwei Dingen war ich bisher überzeugt. Zum einen davon, dass Piper ein Verlag ist, der einen gewissen Qualitätsanspruch hat. Zum anderen war ich fest davon überzeugt, den Tiefpunkt was Krimis angeht, schon erreicht zu haben. Einigen der letzten Werke haben in dieser Hinsicht neue Maßstäbe gesetzt. Schade, dass ich mich geirrt habe. Das was Morgenstern da fabriziert hat, ist nicht nur dürftig von der Handlung, voller logischer Fehler – nein, es ist auch noch verdammt schlecht geschrieben. So richtig schlecht. Man kann nicht mal eine schlechte Übersetzung als Entschuldigung anführen.

Das Hamburger Abendblatt schrieb, wie auf der Buchrückseite zu lesen ist: „Morgenstern hält die Spannung bis zu letzte Seite.“ Ob man davon ausgehen kann, dass sie einen anderen Morgenstern meinen? Mit Christian Morgenstern kann sich Thomas B. Morgenstern jedenfalls nicht messen. Es mag zutreffen, dass er als Diplom-Biologe hervorragend seinen biologisch-dynamischen Bauernhof führt. Scheiben sollt er meiner Meinung nach aber lieber lassen. Warum der „Krimi“ 2008 im Piper Verlag erschienen ist (die Erstveröffentlichung war 2005 im MCE Verlag), bleibt ein Rätsel. Man müsste noch mal drei Jahre zurückblicken. Möglich, dass es in diesem Jahr eine besonders Schlechte Ernte auf dem Feld der deutschen Krimiliteratur gegeben hat.

Die Kurzbeschreibung ist zwar noch das Beste am Krimi, hätte aber schon stutzig machen sollen:

Mit durchgeschnittener Kehle wird Else Weber in einem Graben aufgefunden. Ihr Ruf im kleinen Dorf war eher zweifelhaft, entsprechend viele Verdächtige gibt es. Der ermittelnde Staatsanwalt Allmers aus Stade nutzt gern die Kontakte seines Bruders Hans-Georg, der als Milchkontrolleur in den Gehöften des Ortes ein und aus geht und jedes Gerücht aufschnappt.[…]

Ein Staatsanwalt, der auf eigene Faust ermittelt, weil er (wie es auf Seite 16 dann heisst), die Mitarbeiter der Kriminalpolizei für „Pfeifen“ hält. Am meisten hat es mich erstaunt, dass ich überhaupt bis zu dieser Seite (und noch etwas weiter) gelesen habe. Nur weil es ein Leihbuch ist, flog es nicht schon nach den ersten Seiten gegen die Wand. Ungern tue ich Büchern Gewalt an, aber wenn Autoren ihren Lesern so was wie

Das Messer fuhr rasend schnell durch den Hals und trennte mit einem Schnitt für immer das Leben aus ihr.

zumutet, überkommt einem schon mal die Lust, harmlosen Papier etwas anzutun. Das Leben aus jemanden trennen. Mein Gott Herr Morgenstern, was für ein schlechtes Bild. Ich hätte gewarnt sein müssen. Trotzdem las ich weiter und erfuhr dann auf Seite 10, das eine Färse „ein junges weibliches Rind, das nicht tragend geworden war“ ist. Als In Köln lebender Mensch ist solch Wissen von überlebenswichtiger Bedeutung. Man möchte schreien. Oder lieber doch nicht, denn sonst ergeht es noch jemanden wie der Hauptfigur Allmers:

Allers sah den Schrei förmlich, bevor er ihn hören konnte, und er erinnerte sich noch Jahre später daran.

In der gleichen Gnadenlosigkeit geht es weiter. Auf Seite 16 (die hatte ich bereits kurz erwähnt) bis 19 erzählt Allmers seinen Bruder Allmers (die Namen werden später auch von Morgenstern so verwendet, dass man als Leser nicht immer weiß, wer da gerade spricht), warum das Mordopfer Angina heisst. Sein Bruder müsste die Geschichte aus dem Dorf eigentlich kennen, sagt auch Allmers:

Er wunderte sich, dass sein Bruder die Geschichte nicht kannte.

Der Dialog zwischen den beiden Brüder ist ein gelungenes Beispiel für Autoren, wie man es nicht machen sollte. Hier reden nicht zwei Figuren miteinander, sondern es wird dem Leser etwas mitgeteilt. In wirklich jedem Schreibratgeber gibt es die explizite Warnung vor solchen Anfängerfehlern. Wenn so was einmalig passieren würde, könnte man noch ein Auge zudrücken. Bei Morgenstern hat das aber Methode, denn das Prinzip wiederholt sich im Kapitel vier, als der Schlachter eine Geschichte zum Besten gibt, die Allmers schon kennt. Das der Fährmann noch sehen konnte, wie „der arme Kerl Rotz und Wasser geheult hat“ wenn doch der Trecker so schnell war, dass man davon nicht mehr abspringen konnte, versteht wohl auch nur der Autor.

Bis Seite 67 habe ich tapfer weiter gelesen, dann aber das Handtuch geworfen. Der Verbrauch von Klebemarkierungen war einfach zu groß. Ich habe noch was über Taraxum officinale gelernt, erfahren, dass ein Käsekuchen eine freundliche Grundstimmung anzeigt und das der Staatsanwalt auf Seite 45 den Fall schon gelöst hat – vermeintlich, zumindest. An der Stelle hätte der Roman enden können. Mit viel Überarbeitung wäre wohl auch noch eine gute Kurzgeschichte dabei herausgekommen. Da aber Allmers gerne Kriminalromane liest (Seite 48), glaubt er nicht an so eine einfach Lösung des Falls.

Wer jetzt wirklich der Mörder war und welchen Verlauf die Beziehung von Allmers zur Volontärin. werde ich wohl nicht mehr erfahren. Ehrlich gesagt will ich es auch gar nicht wissen. Es gibt viele nicht so gute und auch schlechte Krimis, die ich durchaus zu Ende gelesen habe. Man kann immer von ihnen lernen. Bei „Der Milchkontrolleur“ ist das nicht so. Das Einzige, was man daraus an Erkenntnis ziehen kann – nein, dass schreiben ich jetzt nicht. Man wird es sich wohl denken können.

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