Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Bei manchen Büchern, die ich gelesen habe, oder wie im aktuellen Fall von „Ein Morgen wie jeder andere“ versucht habe zu lesen, frage ich mich, ob ich das gleiche Buch in den Händen hatte wie die Kritiker. Beim vierten Roman von Christian Pernath überschlagen sich die Kritiker aus den Feuilletons vor lauter Lob.

„Eine eindringlich und sensibel erzählte Geschichte, famos geschrieben.“
Nordwest Zeitung 07.08.2009

Das Buch soll ein Highlight in der Krimiliteratur sein, berührend, spannend erzählt, ungewöhnlich. Vom letzteren bin ich allerdings auch überzeugt, wenn auch eher in einem etwas anderem Sinne. Es mag vielleicht sein, dass ich dem Autor Unrecht tue und es nur an der Übersetzung aus dem Französischen liegt, aber das was ich auf den ersten Seiten des „Kriminalromans“ gelesen habe, war nicht „famous geschrieben“, sondern ziemlich gestelzt. Der in den leisen Ton mischte sich der Verwesungsgeruch der Langeweile.

Nachdem er sich gesetzt hatte, ließ er seinen wasserblauen, leicht verdutzten Blick zerstreut durch den dröhnenden, halbdunklen Raum schweifen, der von schweren Küchengerüchen, Geschirrgeklapper und bemerkenswert lautstarken Unterhaltungen erfüllt war, die vom Tresen herüberdrangen.

Das ist Adjektivitis im Endstation. Vielleicht gibt es irgendwo im Internet eine Strickanleitung für „literarische Krimis“ (die ich noch nicht gefunden habe), aber einen spannenden, lesbaren Text bekommt man damit bestimmt nicht.

Über den oben zitierten Satz bin ich auf Seite 21 gestolpert. Da hat mich noch der Tierarzt Bélouard in einem kleinen Ort in der Nähe von Nantes interessiert, was sich jedoch gerade mal vier Seiten änderte:

Dieser Gedanke, der ihm ganz unwillkürlich in den Sinn gekommen war, hatte weder Hand noch Fuß und war wohl das Ergebnis irgendeiner langen und unzusammenhängenden Assoziationskette, die ohne jeden Bezug zu dem war, was ihm im darauffolgenden Augenblick durch den Kopf schoss: Verschwommenen und verworrene Erinnerungen, die schon Jahre alt waren, aus jener Zeit stammten, in der er noch nicht allzu viel getrunken hatte; Erinnerungen an einen etwas prahlerisch Mann, der zwar nicht unsympathisch, aber eben etwas prahlerisch war und vielleicht auch allen Grund dazu hatte; Erinnerungen an ein […]

Nach der Passage war mir klar geworden: dieses Buch würde ich, nein könnte ich nicht mehr weiter lesen. Es gibt Schreibratgeber. Die stehen in den Buchhandlungen und Büchereien nicht nur zu Dekoration herum. Man kann sie auch benutzen.

Wie erwähnt, „Ein Morgen wie jeder andere“ ist ein Buch, dass im Original auf französisch unter dem Titel „Un matin de juin comme les autres“ erschienen ist. Mit nur einem Jahr Französisch in der Schule (damals in der siebten Klasse) bin ich nicht mal in der Lage, den Titel zu verstehen. Das Buch als Ganzes so zu lesen, wie es der Autor geschrieben hat, ist daher auch undenkbar. Ich kann daher nur die Übersetzung von Nathalie Mälzer-Semlinger beurteilen. Mag daher sein, dass Pernath wesentlich besser schreibt. So aber ist es ein Kriminalroman, mit dem man sich nicht belasten muss. Es sei denn, man hat abends im Bett Problem beim Einschlafen.

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