Der Herr Boley, also genau genommen ich, hat ein typisches Zeitfenster, währenddessen man ihn im Bett antrifft. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich natürlich nicht, dass man mich dort antrifft. Jemanden neben meinem Bett stehend zu wissen, während ich gerade schlafe, währe doch etwas unangenehm, nein gruselig.
Wir stellen uns daher einfach vor, dass ich, wenn der größte Teil der Bundesbürger schläft, meine Wenigkeit auch ebendieser Tätigkeit nachgeht. Abgesehen vielleicht von den Momenten, wo ich gerade mal wieder auf Klo sitze, aber das ist eine ganz andere Geschichte – immerhin trifft man mich nicht wie ganz früher Comic lesend und Kuchen essend in der Küche an.
Nachts also schlafe ich. Was die Ratten währenddessen machen, ist mir egal, da trotz aller Mängel das Haus, in dem DER CHEF und ich wohnen, von solcherlei Getier nicht befallen ist. Wir können daher auch annehmen, dass ich um vier Uhr morgens schlafe. Zumindest solange, wie man mich lässt. In der Regel reichen wachsgetränkte Knubbel aus Bauwolle (wir wollen hier ja nicht unabsichtlich Schleichwerbung machen, vor allem nicht, wenn ich dafür nicht bezahlt werde) aus, um die Geräusche einer Großstadt daran zu hindern, meinen Schlaf zu stören.
Trotz dieser Maßnahme gibt es dennoch Dinge, die mühelos die Schallbarriere durchdringen. Dazu gehört auf jeden Fall die Türklingel. Heute in der Früh, gegen vier Uhr (war klar, dass ich noch mal auf diese Unzeit zurückkommen würde), weckte mich genau dieses Ding aus dem Schlaf. Am Wochenende wäre das zwar ebenso ärgerlich, aber zumindest kann man dann, falls man nicht mehr einschlafen kann, mittags etwas Schlaf nachholen – im Büro geht so was allerdings nicht. Aber ich schweife ab. Es war, wie erste Vermutung nahelegen würden, kein Dumpfbeutel, der volltrunken oder absichtlich (oder absichtlich volltrunken) die Klingel betätigt hatte.Von unten rief nämlich eine ziemlich panische Stimme „Hallo, Haus Nummer zwei, hallo!“ Es folgte eine wiederholte Betätigung der Klingel, natürlich nicht bei den anderen Mitbewohnern, sondern bei uns.
Aus nahliegenden Gründen gehören DER CHEF und ich nicht zu den Menschen, die einfach so die Tür aufmachen. Genauer gesagt machen wir, wenn es klingelt, gar nicht auf, es sei denn, wir erwarten Besucht (wobei wir um vier Uhr Morgens bisher noch nie Besuch erwartet haben). Ignorieren wäre also die einfachste Lösung gewesen. Wenn der Adrinalinspiegel allerdings einmal angestiegen ist, kann man gleich aufstehen. Hab ich dann auch gemacht. Neugierig, wie ich bin, hab ich durchs Küchenfenster auf die Straße geschaut. So wie der Blickwinkel aus unserer Küche ist, sieht man allerdings nichts (spräche eigentlich für eine Webcam…). Das Nächste war dann, durch den Türspion zu schauen. Die Wohnungstür direkt gegenüber unser stand weit auf, drinnen war Licht zu sehen, aber kein Nachbar (es ist nur ein kleines Apartment). Trotz der frühe Stunde konnte ich eins und eins zusammen zählen. Da hatte sich dann wohl jemand ausgesperrt. Türöffner gedrückt, gehört wie die Haustür aufging und wieder ins Bett gelegt. Um die Zeit hatte ich nicht die Lust auf ein belehrendes Gespräch mit dem Nachbar (das habe ich dann heuet Abend nachgeholt) – zudem war ich nicht dem Anlass entsprechend angezogen.
Was unser Nachbar um diese Zeit draußen gemacht hat, ist ein anderes Thema. So genau will ich das glaube ich auch nicht wissen, da er in der Regel tagsüber schläft und nachts aktiv ist. Vielleicht gehört er ja einer merkwürdigen Gruppe an und baut Bomben. Nein, Scherz beiseite, ich weiß nicht, was er macht. Kann auch gut sein, dass er Spätschicht hat. Da kommt der Lebensrhythmus schon etwas durcheinander, dass kenne ich noch von meinem Vater. Der hat nachts keine Bomben gebaut, sondern war bei der Bahn. Wobei, wenn ich darüber nachdenke: die Bahn ist auch eine terroristische Vereinigung, denn sie hält zum Teil unschuldige Reisende in defekten Zügen als Geisel mitten auf der Strecke fest.
Einschlafen konnte ich heute morgen nicht mehr so richtig (was man wohl auch an meinem Text hier merkt). Gemerkt hab ich das schon unter der Dusche. Aus der Flasche mit „Rosen Repair Shampoo“ wurde bei mir „Russen Repair Shampoo“. Das könnte ich jetzt noch irgendwie politisch interpretieren, aber besser ist es wohl, wenn ich an dieser Stelle einfach meine Finger von der Tastatur nehme und schlafen gehen. Es kann ja nur besser werden.