Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Landeanflug auf den Flughafen. Der Tank ist fast leer. Dem Pilot steht der Schweiß schon auf der Stirn. Unbemerkt ist ein Unwetter aufgezogen und erfasst das Flugzeug. Kurz vor der Landebahn brüllte ihn der Co-Pilot in Panik an. „Abrechen, abrechen!“

Die Einleitung hat nichts, überhaupt nichts mit dem zu tun, was jetzt folgt. Aber genau deswegen passt sie so gut. Auf Seite 73 des Romans „Consummatus“ von Sibylle Lewitscharoff wurde die Stimme im meinem Kopf so laut, dass ich endlich auf sie hören musste. An der Stelle werde ich das Buch jetzt zur Seite legen und nicht weiterlesen. Mir ist es wirklich egal, ob jemand wie Dennis Scheck das Buch hochgelobt hat. Es ist unlesbar.
Kurz zur Handlung. Der Lehrer Ralph Zimmermann sitzt an einem Samstag Morgen in einem Café. frühstückt, trinkt Wodka, raucht. Dabei sinniert er über seine verstorben Liebe, das Leben und die Toten. Die Toten sind es auch, die sich immer wieder einmischen, im Text lesefreundlich durch die Reduzierung der Druckfarbe um 50 Prozent gekennzeichnet. Den tiefgründigen Reflexionen von Zimmermann kann man nach ein paar Seiten nicht mehr folgen. So etwas wie ein Plot war zumindest für mich nicht erkennbar. Vielleicht ist das ja „Literatur“ und es mag sicherlich auch Menschen geben, die sich mit Vergnügen durch solche künstlichen Texte quälen. Ich aber für meinen Teil gehöre nicht dazu.
Angefangen hat der „Roman“ (man muss das hier einfach in Anführungsstriche setzen, denn zu einem Roman fehlen dem Text von Lewitscharoff meiner Meinung nach wichtige Wesensmerkmale) recht vielversprechend:

Wie fein die Toten hören! Zu einem Riesenohr vereinigt, segeln ihre Ohren am Himmel und überspannen ihn zu weiten Teilen. Was sich von Zungen löst, was sich in Hirnen formt, erzählte Worte, geträumte Worte, Worte ohne Klang, sie alle werden vom Großen Totenohr erlauscht.

Solches schreibt die Bachmann-Preisträgerin Sibylle Lewitscharoff und das Feuilleton applaudiert dazu. Noch mag man darin einstimmen, aber wenn man liest, was auf Seite 71 steht:

Das erklärt die Anläufe, die ich nehmen muß, um dahin zu gelangen, wohin ich gelangen will – in diesen zweiten Raum, in dem Schritte zwar gemacht werden können, aber so, als wäre alles bepelzt, der Schuh, der Boden, sogar die Hand, mit deren Hilfe der Schritt hingeschrieben werden soll, bepelzt.

Die Textstelle ist zwar einfach mitten rausgenommen, aber ich würde hier nicht von einem Zusammenhang sprechen, aus dem sie gerissen ist.

Wir lernen zweierlei aus diesem Buch. Vor dem Kauf reicht es nicht, die ersten Sätze und den Klappentext zu lesen. Zudem scheint sich der Verdacht zu erhärten, dass auf Besprechungen im Feuilleton, sogar auf Kritiker, kein Verlass ist. Gute Bücher sind in erster Linie die, die einem selber gefallen.

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