Von allen guten und bösen Geistern verlassen

So ist mein Eindruck. Ich stehe an der Haltestelle, der Rote Bus kommt, ich will einsteigen, denke fest dran, aber er nimmt mich einfach nicht mit, fährt einfach weiter.

Der Rote Bus, das ist die SPD. Die Partei, mit der ich momentan meine Problemchen habe. Im Kleinen wie im Großen. Im Kleinen, das ist für mich die Ortsvereinsebene. In den letzten Wochen ist bei mir einfach die Luft raus gegangen. Das liegt nicht an Erschöpfung, fehlender Zeit oder politischem Desinteresse. Es liegt schlicht und einfach an der Organisationsstruktur, an die ich mich nicht gewöhnen kann, gewöhnen will, hier in Köln. In Bielefeld gab es die Trennung zwischen Ortsvereinsvorstandssitzung und Mitgliederversammlung nicht. Abgesehen von einer Sommerpause fand jeden Monat eine Ortsvereinssitzung statt. Alle Mitglieder des Ortsvereins konnten kommen. Nicht nur kommen, sondern sie durften mitreden und vor allem mit abstimmen. Für mich war das ein wichtiges Stück Demokratie.

Jetzt in Köln sieht das anders aus. Ohne Amt ist man als einfaches Mitglied nur Gast bei einer Vorstandssitzung, die monatlich stattfindet und bei der Entscheidungen getroffen werden. Stimmberechtigt ist man nicht. Die eher unregelmäßig stattfindenden Mitgliederversammlungen haben überwiegend Eventcharakter. Abstimmungen – keine Spur. Das Argument, dass die Organisation so erforderlich sei, denn schließlich hab der OV mehr Mitglieder als in Bielefeld, empfinde ich als vorgeschoben. Im kleinen OV Bielefeld-Calvinenfeld hatten wir etwa 70 Mitglieder. Tatsächlich zu den Sitzungen sind maximal 12 Personen gekommen. In Köln hat der OV sicher mehr, aber selbst auf den Mitgliederversammlungen habe ich nie mehr als 20 Leute gesehen.

Standbetreuung, Flugblätter verteilen – mir ist das etwas zu wenig. Auf der anderen Seite möchte ich nicht meine gesamte Freizeit der Politik opfern. merkwürdig, dass das in Bielefeld möglich war.

Mehr Demokratie wagen – ist wohl auch nur so ein Spruch. Wenn ich dann, und damit komme ich zum einleitend erwähnten Großen, daran denke, das künftig wohl auch Nicht-Mitglieder bei Personalentscheidungen einbezogen werden sollen, frage ich mich so langsam wirklich, wozu ich noch Mitglied bin.

Vom politischen Profil der SPD bin ich derzeit auch etwas irritiert, um es mal vorsichtig zu formulieren. Die bittere Wahrheit ist doch, dass die Partei momentan keins hat – zumindest keines, was bei den Wählerinnen und Wählern hängen bleibt. Ansatzpunkte gäbe es viele, Angriffspunkte gegen die Regierung aus Union und FDP auch. Dem „neuen“ Atomkonsens lediglich zuzustimmen, ist eindeutig zu wenig. Wenn mich heute jemand fragen würde, warum er die SPD wählen sollte – mir fielen auf Anhieb keine Gründe ein. „Die Sozialdemokraten würde es irgendwie besser machen“ ist nur ein Bachgefühl.

Sicher stehe ich noch hinter der Grundidee der Sozialdemokratie. Die Frage ist nur, in welchen politischen Entscheidungen dies zu erkennen ist.

Der Rote Bus kommt wieder, hält diesmal. Eine alte Damen steigt aus, schüttelt den Kopf. Als ich einsteigen will, hält sie mich am Arm fest.

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