Der 26. Mai liegt schon ein paar Tage zurück und ich hab immer noch nicht meine Notizen aus der Veranstaltung „Wie kommt das Böse in die Literatur“ verarbeitet. Höchste Zeit, das endlich nachzuholen.
Relativ am Anfang der Veranstaltung mit Günter Blamberg, Peter-André Alt und Martin Mosebach ging es um das Böse und das Mysthische. Anhand von Adam und Eva wurde aufgezeigt, das große Werke der Literatur das Rätsel nicht erklären, sondern es als zutiefst unerklärliches darstellen. Das Böse ist da, aber warum, wird nicht erklärt. Interessant war die Aussage, dass das Böse im Mangel wohnt. In einer vollkommenen Welt ist das Böse nicht vorstellbar, was genau eben die Schwierigkeit in der Bibel ausmacht, die Vertreibung aus dem Paradies zu erklären. Der Apfel vom Baum der Erkenntnis zeigt auch Begehren als Zeichen des Mangels, was zum Bösen führt.Die Freiheitsanmaßung des Bösen, der Sündenfall, kann auch als Aufbruch in die Selbstständigkeit betrachtet werden.
Deutlicher wurde das durch die nähere Betrachtung des Bösen in der Literatur. Das Böse ist nicht in der Lage, vollkommen zu sein. Es lebt aus der Spannung zum Guten, bedarf des Guten. Ohne das Gute kann das Böse nicht existieren, während umgekehrt das Gute auch ohne das Böse vorstellbar ist. Das Böse lebt aus dem negativen Bezug auf das Gesetz, erlangt eine eigene Identität nur aus der Gegnerschaft heraus zum Guten. So betrachtet ist das Böse gefangen in seiner eigene Begrenztheit. Die Lebendigkeit des Bösen ist nur eine geliehen Lebendigkeit. Dabei zehrt das Böse vampirisch das Gute auf, weil es keine eigene Substanz hat.
Weniger grundsätzlich ging es dann darum, wie sich das Böse konkret in der Literatur niederschlägt. In den freuen Texten siegte am Ende nicht nur das Gute, sondern das Böse erkannt sich selbst und seine Unzulänglichkeit. Später entwickelte sich dann die Figur des erhabene Bösewichts – eine Figur, die nichts bereut. Ein Typische Beispiel dafür ist „Richard der III“ von William Shakespeare. Er stirbt an ende in Würde, ohne seine Taten zu bereuen. Dennoch zeit sich bei Richard dem III etwas noch sehr typisch. Das Böse ist auch das Hässlich, erkennbar an dem Buckel, den Richard hat.
Die Physiognomie des Bösen ändert sich aber zunehmend in der Literatur. So wie es nicht mehr das Erhabene ist, verliert es den Körper zugunsten der Psychologie. Man sieht dem Bösen das Böse nicht mehr an. Keine Missgestalt, die eindeutig als die Verkörperung zu erkennen ist. Das Böse wandert von außen nach innen. Gleichzeitig zeigt sich auch die Banalität des Bösen. Laut Hannah Arendt sein nach Auschwitz kein ästhetisches Böses mehr möglich.
Wie ist das Böse nach Auschwitz noch darstellbar, war ein der aufkommenden Fragen. Nach 1945 gab es einen anhaltenden Schock durch die Übermächtigkeit der Realität. Gerade diesen Schock machen sie insbesondere anspruchslosen Texte zu nutze, in dem sie sich auf das Grauen berufen, traumatische Ereignisse auch wie die vom 11. September vor den Augen der Leser heraufbeschwören – der Teufelspakt des Schriftstellers. Die bewusste Provokation erfolgt durch Grenzüberschreitung (wie bei Lars von Trier mit seiner tatsächlichen oder vermeintlichen Sympathie für den Nationalsozialismus).
Zum Ende hin nur noch gestreift wurde das Böse als das Fremde, als das Andersartige („Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“). Das Böse ist eben auch das Ausgegrenzte, ist eine stigmatisierende Kategorie.
Spannend an der Veranstaltung war, dass es eben nicht nur um das Böse in der Literatur ging, sondern auch dazu anregte, selber nachzudenken. Zu sehen, was man selber (auch im Alltag) als das Böse bezeichnet. Auch der religiöse Bezug ist etwas, worüber man noch mal nachdenken kann. Während es durchaus Religionen gibt und gab, wo es nicht Gut und Böse, sonder gerade auch die Zwischenstufe gibt, wo Gut und Böse zwei Seiten einer Medaille sind, schuf sich das Christentum eine Binäre Ordnung. Hier das Gute, dort das Böse, dass eben nicht Teil des Guten ist. Insofern wird auch verständlich, warum der Fall des Luzifers nur in den Apokryphen zu finden ist und nicht in der Bibel.
4 Kommentare
„während umgekehrt das Gute auch ohne das Böse vorstellbar ist“ – ist das nicht ein Gegensatzpaar??
Nein, genau das soll es ja eben nicht sein – wurde zumindest behauptet. Das Gute braucht nicht das Böse, um existent zu sein, aber das Böse benötigt zwingend das Gute. Daraus wird kein Gegensatzpaar (Aussagenlogik).
Existieren ja, aber woran messe ich, ob etwas „gut“ ist, wenn es das Böse nicht gibt?
Gute Frage. Die kam auch in Publikum auf. Letztendlich beantwortet wurde sie nicht.