Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Heute gab es einen nicht uninteressanten Artikel in der Süddeutschen Zeitung zu lesen: „De Niro klingt doch auf Deutsch viel besser“. Geschrieben vom Niederländer Peter Claessens, derzeit wohnhaft in Köln.

Es ging um die Eigenheit der Deutschen, alles, was im Fernsehen läuft, zu synchronisieren. Dabei wird auch teilweise völlig schmerzfrei über die Originaltonspur ein deutsche Sprecher gelegt, so dass man weder dem Einen noch dem Anderen richtig folgen kann. Ein Umstand, der mich bei Dokumentationen regelmäßig in den Wahnsinn treibt. Claessens ist das aus den Niederlanden anders gewohnt, denn dort wird nichts synchronisiert, sondern nur mit Untertitel versehen. Der Ruf nach „Original mit Untertitel“ war mir daher nicht unsympatisch.

Allerdings stören mich zwei Dinge an dem, was Claessens zum Ausdruck brachte. Zum einen wird die Synchronisierung von ihm zu etwas stilisiert, was sie noch ist. auf den Punkt bringt es einen Zwischenüberschrift:

Jede Kultur, die keine Monokultur werden will, braucht viel Heterogenität.

Mir ist das zu viel Interpretation. Kann es nicht einfach sein, das wir es einfach gerne bequem haben und einen Film mit vollständiger deutscher Tonspur sehen wollen statt zu lesen? Wer den ganzen Film liest, kann doch gleich das Buch nehmen. Man sollte, wie es Claessens macht, nicht zu viel Kulturimperialismus vermuten. Gerade wenn er in Köln lebt, sollte er ein wenig mehr Gelassenheit hereinlassen in sein Leben.

Aber das ist nur die eine Seite. Die andere Seit eist die Fixierung auf Film und Fernsehen. Das was Claessens an Argumentationen für die Originalfassung ins Felde führt, lässt sich genauso übertragen auf das rein schriftliche, auf Bücher, Romane. Keine Übersetzungen mehr. Da aber gibt es keinen Untertitel.

Ich weiß es nicht, also hier die Frage: erscheinen in den Niederlanden ausländische Romane nur in der Originalsprache oder werden sie übersetzt? Die Frage ist, so finde ich, durchaus berechtigt. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich die Wahl haben. Zwischen der Originalfassung und der übersetzen Version (die oftmals auch ganz anders wirkt). Nicht nur bei Büchern, sondern auch bei Filmen. Es wäre schön, wenn man die ganze zur Verfügung stehen Technik zumindest beim Fernsehen dafür nutzen würde, mehr als nur eine Tonspur zu übertragen. Teilweise geschieht das schon längst, aber eben nicht immer. Und wenn man konsequent ist, gibt es eigentlich nur einen akzeptablen Weg. Original, Original mit Untertitel (von dem auch die Gehörlosen profitieren würden) und synchronisierte Fassung. Und das für jeden Beitrag, jede Sendung, jeden Film im Fernsehen.

7 Kommentare

  1. Lieber Herr Claessens,

    danke danke danke für diesen wunderbaren Artikel. Ich habe 3,5 Jahre in Antwerpen gelebt und mein erster Film nach 2 Wochen dort war Original vietnamesisch. Mit flämischen (sorry: nierderländischen:-)) Untertiteln. Das ist fast 20 Jahre her. Jetzt lebe ich wieder in München (seit 14 Jahren), und es gibt wenige Menschen (Freunde) die verstehen können, warum ich mit Begeisterung polnische Filme im Original anschaue. Eigentlich im Kino NUR Original. Nach Ihrem Artikel weiß ich es wieder – ich hatte es fast vergessen. Danke!
    PS: in München gibt es mehr als 2 Kinos mit O-Ton. Es gibt auch Berge!
    Herzliche Grüsse nach Köln
    Martina Zube

  2. geachte menheer claessens, voor 42 jaaren was ik de duitse vriendin van een nederlander uit venlo, die in eindhoven studeerde, ik in keulen, waar uw nu bent.nooit heb ik uw taal gestudeerd, heb aleen “ de volkskrant“,“vrij nederland “ gelezen, televisie gekeeken, met hem allen duits gepraat, allen met zijn vrienden nederlands, en nog vandaag,verstaa ik alles, kan praten en, met voutjes schrijven. u heeft zo gelijk,en het is zo duits stets te verwachten,dat het sociale milieu daarop „positiv geageerd“.
    van harte bedankt voor uw bijdrag

    bettina linke

  3. Liebe(r)tboley,
    Erstmals, danke für die Reaktion. Sie haben recht, dass sich das Thema auch einfach übertragen lässt auf Bücher. In den Niederlanden werden viel, viel mehr Bücher, Romane oder Sachbuch, in der Originalfassung gelesen als in Deutschland (was für die Verleger, die kostspielige Übersetzungen verlegen, sogar ein Problem ist…), aber man hat eben die Wahl, das Original oder die Übersetzung zu lesen, weil man gelernt hat die Sprache zu verstehen, zu lesen und sogar zu schreiben. Sonst könnte ich mich nicht auf deutsch äussern, und Sie könnten mich nicht verstehen. Warum lernen die Deutschen, die jedes Jahr an den Noordzee-Stränden ihren Urlaub verbringen oder Maastricht jede Woche massenweise besuchen, nicht ein bisschen niederländisch sprechen, und dann meine ich mehr als ‚Dank u wel‘. Warum sprechen fast alle Niederländer Deutsch in Egmond, Bergen und Domburg usw. In dem eigenen Land eine Fremdsprache sprechen, das ist undenkbar in Deutschland. Es fängt eben alles mit der Bildung an, wie so vieles Andere auch. Auch die Geisteshaltung, die man mit sich bringt in ein anderes Land. Es wäre eine Naivität die kulturimperialistische und ökonomische Aspekte zu verkennen. Aber vor allem ist es wahrscheinlich Angst das vertraute Deutsch zu verlassen, und sich auf etwas ganz anderes einzulassen: dafür muss man sich Mühe machen. Ich würde fast sagen: ‚It’s the economy, stupid! Aber es kommt auch auf die Kultur, die Bildung, an.
    Martina Zube und Bettina Linke haben richtig verstanden, was es heisst, sich in eine andere Kultur, sei es die vietnamesische, die polnische oder die niederländische hineinzuversetzen, und das Bereichernde einer ausländischen Sprache zu erfahren. Ich höre z.B. Obama gerne sprechen auf English, man spürt sonst nicht die Hälfte seines Charismas.
    Peter Claessens

    1. Als Deutscher Deutsch zu sprechen, wenn man in den Niederlanden zu Besuch ist, ist wirklich befremdlich. Da ich Niederländisch leider nicht spreche (obwohl ich nicht weit weg von der niederländischen Grenze geboren bin), habe ich mir immer mit Englisch beholfen.

      Eine andere Sprache ist nicht nur eine Bereicherung, sondern es gibt auch viele Begriffe, die sich nicht übersetzen lassen. Allein die ins Deutsche übersetzen Titel von Büchern oder Filmen geben da ein gutes Beispiel.

    2. Geachte meneer Claessens, omdat misschien de mestaal lezers het Nederlands niet kunnen verstaan en mijn eigen kennis maar fragmentarisch is, ga ik verder schrijven in mijn moedertaal. Dus: Ihr Beitrag in der SZ hat mir ebenso gut gefallen, wie den meisten Schreibern im Blog. Einige kritische Anmerkungen zu Ihrem Text kann ich durchaus nachvollziehen, grundsätzlich geht es mir aber wie Ihnen. Die Stimmen aller Schauspieler und Schauspielerinnen sind ein wesentlicher Teil ihres künstlerischen Ausdrucks, der bei der Synchronisation immer überdeckt wird. Was nicht heißt, dass es keine guten Synchronsprecher/innen gäbe. Oft aber verfälschen Synchronstimmen sogar den Eindruck einer Figur ganz erheblich, was bei der leider kaum noch möglichen Sprachauswahl im Zweikanalton leicht festzustellen war. Unerträglich finde ich auch die Art „Eindeutschung“, wenn alle Schauspieler, gleich welchen Alters, welcher Herkunft oder Bildung, in hiesigen (Fernseh-)Produktionen ein akzent- und fehlerfreies Hochdeutsch sprechen. Vom Einsatz der ein gebrochenes Deutsch imitierenden Deutsch-Muttersprachler ganz abgesehen. Mein Eindruck, dass viele Menschen aus den Ländern in denen auf Synchronisation verzichtet wird, wenn, dann gute Fremdsprachenkenntnisse und vor allem eine gute Aussprache haben, hat sich vor allem bei meinen Kontakten mit Niederländern und Skandinaviern entwickelt. (Wie kurios es im Kino manchmal zugeht, zeigte mir vor kurzem der synchronisierte Film „Moon“, in dem Kevin Spacey auf dem Plakat in einer reinen Sprechrolle als Roboter angekündigt wird, aber nur in der Originalfassung überhaupt zu hören ist.) Einen beispielhaften Umgang mit Sprache hat meines Erachtens Dominik Graf in seiner herausragenden Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ demonstriert.

      Hartelijke groeten naar Keulen,

      Josef Wegener

  4. Auch für mich wird das Thema von Herrn Claessens etwas zu hoch gehängt. Ich halte mich schon für weltoffen, lese manchmal englische Bücher und schaue auch manchmal einen englischen bzw. US-Film auf DVD oder BD zumindest auszugsweise auf Englisch, weil auch ich manchmal interessant finde, wie die Schauspieler „in Wirklichkeit“ sprechen, wie ein interessanter Monolog/Dialog im Original lautet etc.; und doch: ich möchte die synchronisierten Filme nicht missen. Ich kann Fremdsprachen nicht gut genug, dass mir nicht Wesentliches entgehen würde; und Untertitel finde ich extrem störend, unter anderem, weil man nicht gleichzeitig das Bild, also die Fotografie, auf sich wirken lassen und Textzeilen lesen kann.

    Übrigens hat Kate Connolly vom britischen „Guardian“ kürzlich in einer Gastkolumne in der „Süddeutschen Zeitung“ („Mein Deutschland“, SZ vom 16./17.04.11; http://www.sueddeutsche.de/service/mein-deutschland-ein-experiment-1.1090277) ähnlich wie Sie die Synchronisationspraxis in Deutschland bemängelt und sich mehr OmU-Titel gewünscht.

    Noch ein Gedanke: Ist nicht die Tatsache, dass es in (Großbritannien und) den USA nicht üblich ist, ausländische Filme zu synchronisieren, auch ein Grund dafür, dass dort vergleichsweise wenig ausländische, z.B. europäische, Filme gesehen werden (ich meine, von einem Massenpublikum, nicht von einer intellektuellen cineastischen Elite in London oder New York)? Und ein Grund dafür, dass fast jeder europäische „Blockbuster“ die mal mehr, mal weniger von Erfolg gekrönte Ehre erfährt, ein Hollywood-Remake mit US-Schauspielern zu bekommen? Weil nämlich das englischsprachige Massenpublikum sich genauso wenig der Mühe eines OmU (Original mit Untertiteln)-Filmes unterziehen will, wie das deutsche – und statt einer englischen Synchronisation dann eben ein Remake gemacht werden muss? Gäbe es dort eine Synchronisations-Tradition wie in Deutschland, hätten europäische Filme vielleicht mehr Chancen, vom breiten Publikum gesehen zu werden.

  5. Lieber Herr Claessens,
    „Ihre Sehnsüchte, als Niederländer“ fremdsprachige Filme im Fernsehen und Kino zu sehen, kann ich sehr gut verstehen, und ich möchte Sie in diesem Punkt auch gerne unterstützen, nicht zuletzt im Hinblick auf unsere Jugend, die so mit den Fremdsprachen noch vertrauter werden dürfte- die Hauptargumente haben Sie selbst schon gebracht, und ich kann bestätigen, dass der Film „The King’s Speech“, der tatsächlich nun auch im Original lief, ein doppelter Genuß war, zumal die Story selbst sehr stark von der Sprache und ihren Dialogen lebt.
    Ein bisschen ärgerlich aber, sorry, hat mich Ihr Urteil über die „Selbstbezogenheit“ und geistige Enge Deutschlands gemacht – ich finde vielmehr eine große Offenheit in vielen Bereichen für andere Kulturen und Sprachen in unserem Lande, natürlich vor allem im Bereich von Internet, Medien allgemein, Konsum, Wellness, Sport, und gehen Sie doch nur einmal durch unsere Cities, da wimmelt es nur so von englischen oder -wie wir humorvoll inzwischen sagen- Globish words- das wird mir oft schon zu viel und zu albern, obwohl ich dem Englischen sehr zugeneigt bin und es versuche zu vervollständigen. Ich lerne selbst auch Niederländisch, und fragen Sie einmal, wieviele Menschen hier Niederländisch lernen, während das Interesse für die deutsche Sprache in den Niederlanden deutlich zurückgeht, was selbst von offizieller Seite bedauert wird. Nein, unsere Nachbarschaft mit so vielen Ländern ringsum im Zentrum Europas macht es notwendig, hier offen zu sein für andere Sprachen, und die Anzahl bilingualer Zweige in den Schulen nimmt auch zu. Natürlich denken viele, Englisch allein würde in unserer globalisierten Welt ausreichen, was viele bereichernde Erfahrungen und Einsichten in fremde Mentalitäte und Geschichte verschließen würde.
    Die Bereitschft, in den Niederlanden fremde Sprachen zu lernen, ist sicher größer und auch noch mehr geboten, allerdings las ich vor kurzem in „De Volkskrant“, dass man nicht unbedingt von den Immigranten mehr forden solle, Niederländisch zu lernen, wenn sie dies nicht im Beruf bräuchten, was natürlich auch ein trauriges Zurücknehmen der eigenen Kultur wäre. Mijn wens zou zijn nationale en internationale aspecten met elkaar te koppelen, maar ik denk maar eens dat we erin het eens mochten zijn. Und mein Respekt für Ihr exzellentes Deutsch, das die Sprache eines native speaker sein dürfte!

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